Hohe Forschungsaktivität in Deutschland – zahlreiche Studien werden auf der DEGRO 2019 präsentiert

Die Radiotherapie ist ein nicht-invasiver, weitgehend schmerzfreier und effektiver Bestandteil der Krebstherapie, die maßgeblich zur Heilung oder Krankheitskontrolle, wie sie heute oftmals möglich ist, beiträgt. Die klinische Forschung im Bereich der Strahlentherapie ist weltweit sowie speziell in Deutschland aktiver als je zuvor. Die Ergebnisse klinischer Studien werden künftig weiter dazu beitragen, immer mehr Patienten möglichst nebenwirkungsarm zu behandeln oder sogar zu heilen. Auf dem DEGRO-Kongress in Münster vom 13. bis 16. Juni 2019 werden neue Studiendaten aus Deutschland vorgestellt.

Die Strahlentherapie wird oft in ihrer Wirksamkeit unterschätzt und ruft bei vielen Patienten bzw. Laien noch immer viele Ängste hervor. Tatsächlich ist die moderne Radiotherapie aber eine wichtige Therapiesäule der Krebstherapie mit hoher Wirkung bei insgesamt geringer Nebenwirkungsrate. Als nicht-invasives, nahezu schmerzfreies und effektives Verfahren ist die Bestrahlung aus der Krebstherapie nicht mehr wegzudenken und sie maximiert bei etlichen Tumorerkrankungen die Heilungschancen.

Weltweit besteht eine hohe Forschungsaktivität, bei der deutsche Zentren eine Führungsrolle einnehmen. Auf dem DEGRO-Kongress in Münster vom 13. bis 16. Juni 2019 werden zahlreiche klinische Studiendaten vorgestellt. Ein Symposium befasst sich ausschließlich mit der aktuellsten Forschung im Bereich der Radiotherapie in Deutschland.

Neue Forschungsergebnisse zur Strahlentherapie bei Brustkrebs

Bei Brustkrebs (Mammakarzinom) wird heute, wann immer möglich, brusterhaltend („im Gesunden“) operiert. Danach muss eine adjuvante Bestrahlung angeschlossen werden, da so die lokale Rezidivrate minimiert und das Überleben sowie die Heilungsrate deutlich verbessert werden. Zunehmend etabliert sich für bestimmte Situationen bzw. für Frauen mit geringem Rückfallrisiko eine Teilbrustbestrahlung anstelle der Ganzbrustbestrahlung. Eine Phase-II-Studie [1] evaluierte prospektiv (2011-2018) bei geeigneten Brustkrebspatientinnen in frühen Erkrankungsstadien die Durchführbarkeit und Effektivität einer akzelerierten Teilbrustbestrahlung APBI („Accelerated Partial Breast Irradiation“) mit modernen externen Strahlentherapietechniken. 126 Frauen mit Mammakarzinom im Alter von mindestens 50 Jahren, nach brusterhaltender Operation und entsprechenden Einschlusskriterien (wie Tumordurchmesser höchstens 3 cm, Operation im Gesunden, keine Achsellymphknoten befallen, keine Fernmetastasen) wurden mit einer sogenannten 3D-konformalen externen APBI behandelt. Die Gesamtstrahlendosis lag bei 38 Gy, fraktioniert auf zehn Einzelbestrahlungen in 1-2 Wochen; die Nachbeobachtungszeit bei median 36 Monaten. Im Ergebnis gelang die lokale Tumorkontrolle bei 125/126 Patientinnen; es gab einen einzigen Rückfall im ehemaligen Tumorgebiet (Lokalrezidiv). Die 3- und 5-Jahres-Lokalrezidivrate betrug 1%. Bei 26,2% der Patientinnen (33/126) zeigte sich eine Frühtoxizität ersten Grades in Form von
Hautnebenwirkungen (Radiodermatitis). Späte, mehr als zweitgradige Nebenwirkungen traten nicht auf. Die kosmetischen Ergebnisse wurden zu 99% (103/104) als exzellent-gut bewertet.

„Die akzelerierte Teilbrustbestrahlung mit modernen externen Strahlentherapietechniken wies in der Studie eine sehr geringe Toxizität auf“, kommentiert Prof. Dr. med. Wilfried Budach, Düsseldorf, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO). „Diese und andere Studienergebnisse unterstützen die zunehmend Etablierung dieser Methode als Standardbehandlung für bestimmte Untergruppen von Brustkrebspatientinnen.“

Neue Forschungsergebnisse zur Strahlentherapie bei Leberkrebs

In einer prospektiven Studie [2] wurde bei lokal fortgeschrittem Leberkrebs (sogenanntes hepatozelluläres Karzinom=HCC) die stereotaktische Strahlentherapie (SBRT) mit der Methode der transarteriellen Chemoembolisation (TACE) verglichen. Bei TACE wird unter Röntgenkontrolle (mittels Gefäßdarstellung/Angiographie) ein Chemotherapeutikum durch die Leberarterie in die Tumorregion eingebracht und gleichzeitig die Blutzufuhr zum Tumor blockiert (embolisiert). So kann die Chemotherapie möglichst lokal erfolgen. Die SBRT (stereotaktische Bestrahlung) erfolgt punktgenau nach detaillierter 3D-Planung anhand von Röntgen- und CT-Bildern mit Berechnung des Bestrahlungsfelds. Die Gruppenzuteilung erfolgte nicht randomisiert, sondern die Patienten erhielten eine SBRT, wenn eine TACE kontraindiziert war oder abgelehnt wurde oder der Tumor trotz TACE progredient war. Ausgewertet werden konnten jeweils 19 Patienten pro Gruppe. In der TACE-Gruppe war das mediane Alter 69 Jahre und die Tumorgröße 32 (10-64) mm, in der SBRT-Gruppe 77 Jahre und die Tumorgröße 46 (21-210) mm. In der TACE-Gruppe hatten 3/19 Patienten (16%) eine Vortherapie und in der SBRT-Gruppe dagegen 11/19 (58%).

Die 2-Jahres Überlebensrate in der SBRT-Gruppe lag bei 56% und bei 74% in der TACE-Gruppe (p=0,06). Nach einem Jahr betrug die lokale Kontrollrate in der SBRT-Gruppe 82 % und das progressionsfreie Überleben median sieben Monate. In der TACE-Gruppe lag das progressionsfreie Überleben bei median elf Monaten. „Insgesamt führte die stereotaktische Bestrahlung bei weit fortgeschrittenem Leberkrebs zu einer guten lokalen Kontrolle mit akzeptabler Toxizität“, so Frau Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO. „Eine randomisierte Studie wäre nun wichtig, um die Effektivität der Radiotherapie weiter zu evaluieren.“

Neue Forschungsergebnisse zur Strahlentherapie bei malignen Gliomen (Hirntumoren)

Maligne Gliome haben eine schlechte Prognose. Nach der initialen Behandlung, kommt es fast immer zum lokalen Fortschreiten oder Wiederauftreten (Rezidiv) des Krebses. Systemische medikamentöse Therapien und erneute konventionelle Bestrahlungen können das Leben meist nur wenige Monate verlängern – und das bei einer relevanten Toxizität der erneuten, also Rebestrahlung. Konventionelle Bestrahlung erfolgt mit Photonenstrahlung („Lichtteilchen“, also elektromagnetische Strahlung bzw. Röntgen- oder Gammastrahlung). Seit einigen Jahren wird daneben zunehmend die sogenannte Partikeltherapie (Ionenstrahlung, also Bestrahlung mit geladenen Teilchen) eingesetzt. Aufgrund biologisch-physikalischer Eigenschaften mit punktgenauer Energieabgabe bietet Ionenstrahlung in bestimmten Situationen Vorteile gegenüber Photonen. So kann Tumorgewebe millimetergenau getroffen und gesundes Gewebe besser geschont werden, was zu weniger Nebenwirkungen führt.

Die prospektive Phase I/II-Studie „CINDERELLA“ [3] untersucht Toxizität und Effektivität einer dosiseskalierenden Rebestrahlung mit Kohlenstoff-Ionen bei 53 Patienten mit Gliom-Rezidiven (42 Patienten mit Gliom vom WHO Grad III/IV und 11 mit WHO Grad II). Bestrahlt wurde MRT-geplant nach einem Dosiseskalationsprotokoll (absteigende Dosen) mit Kohlenstoff-Ionen (Dosen von 10-16 mal 3 Gy). Zwischen Primär- und Rebestrahlung lagen ca. 26 Monate, die Bestrahlungs-Zielvolumina (PTV) betrugen 12 bis 310 ml. Es gab keine dosislimitierenden Toxizitäten ≥ 3. Grades. Zum Zeitpunkt der Analyse waren 44 Patienten verstorben. Die mediane Überlebenszeit war 352 Tage (unbeeinflusst durch die Strahlendosis). Bessere Überlebensraten zeigten sich tendenziell bei kleineren Zielvolumina (480 Tage für PTV< 75ml versus 322 Tage bei PTV>75ml, p=0,06) und bei initial weniger bösartigen Gewebebefunden (497 Tage für WHO °II versus 322 Tage für WHO°III/IV, p=0,069). Das lokalprogressionsfreie Überleben lag bei 138 Tagen. In der Nachbeobachtungszeit kam es bei 45 Patienten zum lokalen Fortschreiten des Tumors, sichtbar im MRT, aber noch ohne klinische Zeichen). Insgesamt 28 Patienten erhielten erneute Systemtherapien. Die Diagnose einer Progression nach der Rebestrahlung beeinflusste das Gesamtüberleben nicht. Zusammenfassend war die Rebestrahlung mit Kohlenstoff-Ionen nach dem eingesetzten Studienprotokoll sicher und nicht durch eine inakzeptable Toxizität limitiert und das Überleben war mit einem Jahr im Vergleich zu sonstigen Vorgehensweisen hoch. Randomisierte Studien müssen folgen, um den genauen Stellenwert der Kohlenstoffionen-Rebestrahlung gegenüber anderen Verfahren zu prüfen. „Vermutlich wird künftig der Anwendungsbereich für Partikelbestrahlung zunehmend ausgeweitet, so dass immer mehr Patientengruppen auch von einer Ionen-Bestrahlung profitieren können“, hofft Prof. Budach. „Für bestimmte Tumorerkrankungen gibt es bereits DEGRO-Empfehlungen, wie z. B. für Kinder, bei denen wenn möglich, immer eine Partikelbestrahlung gewählt werden sollte.“

Frau Prof. Combs kommentiert abschließend: „Wir sind sehr froh, dass die Forschung in Deutschland so aktiv ist; die Studienlandschaft ist so vielfältig wie lange nicht mehr und die Ergebnisse werden dazu beitragen, die Patienten noch besser zu behandeln und immer mehr Krebserkrankungen zu heilen.“

Literatur
[1] Ott O, Strnad V, Sillkrieg W et al. Accelerated partial breast irradiation with external beam radiotherapy: results of the German phase 2-trial. DEGRO-Kongress 2019; [VS01-3]
[2] Gkika E, Bettinger D, Schultheiss M et al. Die Rolle der stereotaktischen Strahlentherapie (SBRT) bei den lokal fortgeschrittenen hepatozellulären Karzinom verglichen mit der transarteriellen Chemoembolisation (TACE). Eine prospektive, nicht randomisierte Beobachtungsstudie (Heracles-Studie). DEGRO-Kongress 2019; [VS01-5]
[3] Rieken S, Bernhardt D, Adeberg S et al. Toxizität und Ergebnisse einer Kohlenstoffionen-Rebestrahlung von Patienten mit malignen Gliomen – erste Ergebnisse der prospektiven dosiseskalierenden CINDERELLA-Studie. DEGRO-Kongress 2019; [VS01-7]

Weitere Informationen Zur DEGRO-Jahrestagung 2019 finden Sie unter www.degro-jahrestagung.de

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