2. Stellungnahme DEGRO/ARO/BVDST zur Strahlentherapie während der COVID-19 Pandemie, 25.3.2020

(erarbeitet von Wilfried Budach; Rainer Fietkau; Mechthild Krause; Ursula Nestle, Cordula Petersen; Normann Willich in alphabetischer Reihenfolge)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in Ergänzung der 1. Stellungnahme von DEGRO, ARO und BVDST zur Strahlentherapie während der COVID-19 Pandemie vom 16.3.2020 möchten wir Sie jetzt darauf aufmerksam machen, dass zwischenzeitlich weitere Materialien, die für das Management einer Einrichtung für Strahlentherapie/Radioonkologie unter den gegenwärtig gegebenen Bedingungen der Coronavirus Pandemie herangezogen werden können, erschienen sind.

  • Es handelt sich hier um Verlautbarungen des Robert Koch Instituts, die unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/HCW.html
    abrufbar sind. Darin ist beschrieben, dass bei entsprechender Dringlichkeit auch Kontaktpersonen als medizinisches Personal unter bestimmten Bedingungen weiter beschäftigt werden können.
  • Mittlerweile haben auch verschiedene Universitätsklinika den Umgang mit Kontaktpersonen der Kategorie 1 (Einteilung gemäß RKI) unter medizinischem Personal an Situationen mit relevantem Personalmangel adaptiert (nach Rücksprache mit der jeweiligen Krankenhaushygiene). So kann beispielsweise eine vorzeitige Rückkehr (bereits nach 4 Tagen) aus der Quarantäne (üblicherweise 14 Tage) erlaubt werden (bei Symptomfreiheit) unter Fortführung engmaschiger Testung bei initial Covid-19 negativen Mitarbeiter/Innen. Bei sehr hohem Personalmangel sind auch einige Einrichtungen dazu übergegangen, negativ getestete symptomfreie Mitarbeiter/Innen unter Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes unmittelbar weiter arbeiten zu lassen (Verzicht auf Quarantäne). Selbst für Covid-19 positiv getestete Kollegen/Innen erlaubt das RKI die Wiederaufnahme der Tätigkeit (auch Betreuung/Behandlung von Nicht-Covid-19-Patienten) als erwägbare Option bei Symptomfreiheit über mindestens 48h und 2 negativen Tests im Abstand von 24h. Es ist erforderlich, die Vorgehensweise am jeweiligen Standort mit den Hygieneverantwortlichen festzulegen.
  • Weitere Möglichkeiten, einem Personalengpass durch Coronavirus – bedingte Infektionen zu begegnen, können darin bestehen, MTRAs aus anderen Abteilungen eines Klinikums (Diagnostische Radiologie, Nuklearmedizin) oder von Kooperationspartnern in die Radioonkologie/Strahlentherapieeinheit umzusetzen.
  • Vor allem an universitären Abteilungen für Radioonkologie, aber auch an allen anderen Institutionen für Radioonkologie, kann auch die Möglichkeit bestehen, aus dem studentischen Bereich Personen mit MTRA Ausbildung zu rekrutieren.
  • Auch aus dem Wissenschaftsbereich können gegebenenfalls Personen (z.B. MTRA, Physiker, Ärzte) für den Einsatz in Strahlentherapieabteilungen gewonnen werden, ebenso MTRA Schüler/innen als Hilfspersonal.

An den Beschleunigern kann Hilfspersonal unter Aufsicht einer MTRA (siehe auch folgender Abschnitt) eingesetzt werden.
Es ist auch die Frage an uns herangetragen worden, ob Vorschriften über eine Mindestanzahl von fachkundigem Personal, beispielsweise MTRA´s, am Beschleuniger in Zeiten der Not gelockert werden können. Es handelt sich bei solchen Vorschriften ausnahmslos um untergesetzliche Regelungen (z. B. Betriebsgenehmigung nach den Anhaltszahlen der StrSch-RL), deren Einhaltung ggf. durch die Ärztlichen Stellen nach StrSchG überprüft werden kann. Die entsprechenden Verantwortlichkeiten liegen bei den Aufsichtsbehörden der Länder, die nicht die Befugnis der Veränderung der Gesetzes- oder Verordnungslage, jedoch einen Ermessensspielraum der Interpretation haben. Im Moment diskutiert das BMU diese Frage mit den Aufsichtsbehörden der Bundesländer und es ist mit diesbezüglichen Stellungnahmen in nächster Zeit zu rechnen. Wir sind mit den staatlichen Stellen bezüglich dieser Frage im Gespräch und werden Sie bei Neuigkeiten informieren.

Wir möchten an dieser Stelle noch einmal betonen, dass in der Radioonkologie das Leben tumorerkrankter Patienten auf dem Spiel steht. Sollte im weiteren Verlauf der Epidemie eine Abteilung für Strahlentherapie/Radioonkologie nicht mehr (voll) funktionsfähig sein, so ist das Überleben der Patienten mit Tumoren, die in dieser Abteilung behandelt werden, in Gefahr und es muss mit vermehrten tumorbedingten Todesfällen infolge unterlassener Strahlenbehandlungen gerechnet werden. Dies kann nicht zum Gegenstand einer „Gegenrechnung“ mit dem Risiko virusbedingter Todesfälle gemacht werden.

Sollten z. B. seitens Klinikverwaltungen oder von anderen Seiten Ansprüche an Radioonkologieeinheiten gestellt werden, die die Funktionsfähigkeit einer Radioonkologieabteilung gefährden, so ist auf diese Problematik deutlich hinzuweisen.

Wir halten es in der gegenwärtigen Situation für selbstverständlich, dass auf allen Seiten dieerforderlichen und denkbar möglichen Rationalisierungsmaßnahmen in den Abteilungen getroffen werden bzw. bereits getroffen wurden (s. unser Rundschreiben vom 16.3.2020). Weitergehende als die in diesem Schreiben genannten Möglichkeiten (z.B. Trennung der Patienten-Wege, Home-office von Physikern, organisatorische Gruppenbildung des Personals) müssen im Detail vor Ort von Ihnen mit Ihren Partnern in den anderen medizinischen Disziplinen sowie Ihrer Verwaltung und gegebenenfalls mit Ihren zuständigen Aufsichtsbehörden besprochen werden.

Zum Thema Hypofraktionierung finden Sie in der Anlage einige publizierte Therapie-Regimes, die bei vertretbarer Datenlage alternativ zur konventionellen Fraktionierung eingesetzt werden können.

Wir möchten Sie bitten, uns bei besonderen Vorkommnissen zu informieren, damit wir Sie entsprechend auch weiterhin unterstützen können.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre

Wilfried Budach; Rainer Fietkau; Mechthild Krause; Ursula Nestle, Cordula Petersen; Normann Willich

Anlage:
Hypofraktionierte Bestrahlungsregimes