Weltkrebstag 2021: Personalisierte Strahlentherapie trägt zu verbesserten Behandlungsergebnissen bei

Am 4. Februar wird der jährlich von der Union Internationale Contre le Cancer (UICC – Internationale Vereinigung gegen Krebs) ausgerufene Weltkrebstag begangen. Das Anliegen ist die Aufklärung der Bevölkerung über Früherkennung und Prävention sowie zum Stand der Erforschung und Behandlung von Krebserkrankungen. Dabei rückt aktuell ein Aspekt zunehmend in den Fokus: Die personalisierte Therapie. „Auch in der Strahlentherapie wird sie vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse in Bezug auf Biomarker, Tumorzelleigenschaften und auch geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Behandlung von Krebserkrankungen immer mehr an Bedeutung gewinnen.“ Davon ist die Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie e.V. (DEGRO) Univ.-Prof. Dr. med. Stephanie E. Combs überzeugt.

Krebserkrankungen nehmen in Deutschland mit ca. 230.000 Todesfällen pro Jahr nach den Herz-Kreislaufkrankheiten noch immer den zweiten Platz unter den Todesursachen ein [1]. Das Risiko für eine Krebserkrankung steigt mit dem Lebensalter. Angesichts der zunehmenden Lebenserwartung erkranken derzeit lt. Angaben der Deutschen Krebshilfe [2] pro Jahr insgesamt mehr als eine halbe Million Menschen neu an Krebs. Wegen der Vielfalt der Tumorarten und weil sich der Verlauf der Erkrankung von Mensch zu Mensch unterscheidet, kommen unter Berücksichtigung der jeweils individuellen Situation heute verschiedene Therapien, z. T. auch in Kombination, zum Einsatz.

Bestrahlung ist wichtiger Bestandteil erfolgreicher Krebstherapie
Die Radioonkologie als eine der drei Säulen bei der Krebsbehandlung (medikamentöse Therapie, Strahlentherapie, Operation) hat einen wesentlichen Anteil daran, dass sich die Prognose von Patienten mit Krebserkrankungen in den letzten Jahrzehnten stetig verbessert hat. Etwa die Hälfte der erwachsenen Patienten und vier von fünf Kindern können heute vollständig geheilt werden. Aber auch Patienten, die nicht geheilt werden können, jedoch oft lange mit der Erkrankung überleben, haben dank moderner Krebstherapien in den meisten Fällen eine zufriedenstellende Lebensqualität. Trotz dieser Erfolge besteht weiterhin Bedarf, die Therapie weiter zu optimieren, damit mehr Patienten geheilt werden und sich die Überlebenschancen mit einer Krebserkrankung verbessern. Einer der Ansätze ist die gezieltere Behandlung durch Personalisierung. In der Strahlentherapie ist die personalisierte Therapie im Rahmen der anatomischen Dosisverteilung unter Einsatz von Biomarkern wie Volumen, Hypoxie und Stammzelldichte bereits seit langem etabliert. Damit ist es möglich, die Therapie bestmöglich an individuelle Patienten- und Tumorcharakteristika (z. B. Alter, Komorbiditäten, Geschlecht, Tumorstadium, -größe und -beschaffenheit) anzupassen.

Unterschiedliche molekulargenetische Signaturen bei der Dosierung berücksichtigen
„Auch eine personalisierte Therapie unter Nutzung molekularbiologischer Eigenschaften der Tumorzelle wird zukünftig in der Strahlentherapie eine größere Rolle spielen“, erklärt Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie e.V. (DEGRO) Univ.-Prof. Dr. med. Stephanie E. Combs. Denn die Strahlensensibilität von Tumorzellen scheint von biomolekularen Merkmalen abhängig zu sein. Das zeigte sich beispielsweise bei Oropharynx-Tumoren (Krebs im Mund-Rachen-Raum), die durch eine Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) verursacht wurden. Aufgrund ihrer abweichenden molekulargenetischen Signatur sind sie strahlensensibler als Oropharynx-Tumore anderer Ursache wie z. B. Nikotin und könnten deshalb mit geringerer Intensität und damit weniger Nebenwirkungen bei gleicher Heilungschance bestrahlt werden. Solche Erkenntnisse aus Erfahrungswerten und Studien in radioonkologischen Settings haben ein großes Potenzial, bei Anwendung kombinierter Krebstherapien, z. B. medikamentös plus Bestrahlung, die einzelnen Komponenten besser auf den jeweiligen Patienten zuzuschneiden. Auch im Rahmen interdisziplinärer Molekularer Tumorboards (MTB) kann sich die Radioonkologie mit diesem Wissen bei der Interpretation molekularbiologischer Daten und der Formulierung personalisierter Therapieempfehlungen zukünftig noch mehr einbringen.

Frauen reagieren auf Strahlentherapie anders als Männer
Ein weiterer, bislang eher unterschätzter Parameter, der in der personalisierten Strahlentherapie berücksichtigt werden sollte, ist das biologische Geschlecht. Bekannt ist, dass die Anfälligkeit für bestimmte Tumorarten bei Frauen und Männern unterschiedlich ist. Wichtiger für eine Therapiestratifizierung ist jedoch, dass auch die individuelle Radiosensibilität geschlechtsabhängig ist. So zeigt eine Literaturanalyse [3] aus der radiogenomischen Forschung erste interessante Hinweise darauf, dass Frauen empfindlicher auf Strahlen reagieren als Männer. Das bedeutet: Weibliche Patienten haben, je nach Tumorstadium, sogar bessere Heilungschancen, jedoch um den Preis stärkerer Nebenwirkungen als Männer. Es ist es ein zweischneidiges Schwert: Aufgrund ihrer höheren Radioresistenz sind bei Männern zwar unter einer Strahlentherapie die gesunden Gewebe besser geschützt, aber die langfristigen Überlebensraten sind geringer. Beobachtungen wie diese könnten z. B. eine Therapieentscheidung im Palliativstadium, wenn es um eine Nutzen-Risiko-Abwägung geht, bei Frauen und Männern unterschiedlich ausfallen lassen. Die Erkenntnisse müssten allerdings durch mehr belastbare Daten untermauert werden.

Geschlechtsspezifische Therapie ist ein neues Terrain (nicht nur) für die Radioonkologie. „Um praxisrelevante Schlüsse daraus zu ziehen, lohnt es sich, weitere Forschungen, präklinische Tests und Vergleichsstudien durchzuführen und Registerdaten auszuwerten. Mit ihrem erklärten Ziel, die wissenschaftliche Grundlage der Radioonkologie ständig zu verbessern und damit noch zukunftsfähiger zu machen, wird sich die DEGRO auch weiterhin aktiv an den Forschungsprojekten zu personalisierten Therapiestrategien beteiligen“, erklärt DEGRO-Präsident Prof. Dr. Rainer Fietkau, Erlangen.

Quellen
[1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/_inhalt.html
[2] https://www.krebshilfe.de/informieren/ueber-krebs/weltkrebstag-2021/
[3] De Courcy, L et al. (2020) Gender-dependent radiotherapy: The next step in personalised medicine?. Clinical Reviews in Oncology/Hematology.

DEGRO-Pressestelle
Dr. Bettina Albers
Tel. 03643/ 776423
Mobil 0174/2165629
albers@albersconcept.de