Strahlentherapie verbessert das Überleben junger Risikopatientinnen und -patienten mit aggressivem B-Zell-Lymphom
Ein aggressives B-Zell-Lymphom (DLBCL) kann mit moderner Immunchemotherapie heute in vielen Fällen gut behandelt werden. In bestimmten Situationen kann eine anschließende Strahlentherapie das Outcome deutlich weiter verbessern. Die Langzeitanalyse einer Studie bei jüngeren Patientinnen und Patienten mit aggressiven B-Zell Lymphomen und hohem Rückfallrisiko [1, 2], die auf dem Deutschen Krebskongress Ende Februar vorgestellt wurde, bestätigt den Nutzen der Bestrahlung von großen Lymphomherden.
Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL), ist ein häufiger und besonders bösartiger Tumor des lymphatischen Systems, der unbehandelt schnell zum Tode führt. In Deutschland sind jährlich 7/100.000 Menschen betroffen. Typische Symptome sind eine schmerzlose Vergrößerung von Lymphknoten, Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsabnahme. Bei rechtzeitiger Diagnose und Therapie liegt die Heilungsrate heute bei über 70 % [3]. Die aktuelle Therapie [3, 4] beinhaltet eine Immunchemotherapie mit Cyclophosphamid, Hydroxydaunorubicin, Oncovorin, Prednison, kombinbiert mit dem monoklonalen anti-CD20-Antikörper Rituximab (R-CHOP). Bei Betroffenen ≤ 60 Jahren mit erhöhtem Risiko empfehlen die Leitlinien [3] eine aggressivere Therapie, z. B. durch Zugabe des Zytostatikums Etoposid („R-CHOEP“). Risikofaktoren sind unter anderem ein hoher Internationaler Prognostischer Index (IPI), er beinhaltet einen schlechten Allgemeinzustand, ein hohes Tumorstadium sowie eine LDH-Erhöhung. Das Vorliegen einer großen Tumormasse („bulk“) ≥7,5 cm stellt einen weiteren Risikofaktor dar. Die Rolle einer Radiotherapie (RT) nach R-CHOP in der Erstlinientherapie des DLBCL wird wissenschaftlich immer wieder kontrovers diskutiert. In Deutschland wird eine RT traditionell bei Befällen außerhalb des Lymphsystems (extranodal) oder bei „bulky disease“ empfohlen [4].
Auf dem Deutschen Krebskongress Ende Februar 2024 in Berlin stellte Dr. Michael Oertel (Münster) die Ergebnisse einer Studie vor, die den Nutzen der RT bestätigt [1]: In der Langzeitanalyse einer randomisierten Studie bei jüngeren Hochrisikopatientinnen und -patienten mit aggressiven B-Zell Lymphomen wurde die prognostische Bedeutung der Strahlentherapie untersucht. Die R-MegaCHOEP-Studie [5] verglich ursprünglich die Wirkung einer Hochdosischemotherapie und Rituximab gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation mit einer R-CHOEP-Immunchemotherapie. Im Ergebnis profitierten die Teilnehmenden nicht von der R-MegaCHOEP- gegenüber der herkömmlichen R-CHOEP-Therapie, es gab aber eine erhöhte Toxizität. Das Studienprotokoll sah eine konsolidierende Strahlentherapie bei Organbefall außerhalb der Lymphknoten und bei Bulky Disease vor. Selbstverständlich konnten auch Betroffene, die nach Ende der Immunchemotherapie keine komplette Remission erreicht hatten, bestrahlt werden.
Die nun vorliegende Langzeitanalyse [1] von 261 Betroffenen (davon 120 mit RT) mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 9,3 Jahren berichtet über die Auswirkungen der Strahlentherapie (RT) hinsichtlich langfristiger Wirksamkeit und Nebenwirkungen. Die mediane Strahlendosis betrug 36 Gy (bei medianen Fraktionen von 1,8 Gy).
Insgesamt hatte die RT-Gruppe ein signifikant besseres ereignisfreies Überleben (EFS 64 % vs. 46 %; p=0,001) und progressionsfreies Überleben (PFS 67 % vs. 54 %; p=0,025) als nicht-bestrahlte Patientinnen und Patienten nach 10 Jahren, bei vergleichbarem Gesamtüberleben (p=0,132). Insbesondere bei Bulky Disease führte die RT zu einem deutlich besseren Ergebnis (10-Jahres-EFS 64% vs. 35 %; p<0,001 und 10-Jahres-PFS 68 % vs. 47 %; p = 0,003); hier hatten die Betroffenen auch ein signifikant besseres 10-Jahres-Gesamtüberleben (72 % vs. 59 %; p=0,011). Patientinnen und Patienten mit Extranodalbefall profitierten nicht von einer Strahlentherapie, möglicherweise auch, weil viele Extranodalbefälle (Lunge, Leber etc.) nicht bestrahlt werden konnten. Die Toxizität der Strahlentherapie war meist leicht (Grad 1/2), zu schwereren Toxizitäten kam es nur selten. Während der Langzeitnachbeobachtung traten 23 Sekundärmalignome auf, hierfür war die RT jedoch kein signifikanter Risikofaktor (p=0,504).
„Junge Hochrisikopatientinnen und -patienten profitierten maßgeblich von der Bestrahlung; die konsolidierende BULK-Bestrahlung sollte daher als fester Bestandteil der Erstlinienbehandlung angesehen werden“, betonen die Studienleiter, Universitätsprofessor Dr. Hans Theodor Eich (Universitätsstrahlentherapie Münster) und Professor Dr. Norbert Schmitz (Medizinische Klinik A, Münster). Durch den Einsatz einer PET-gesteuerten Behandlung könnten sich künftig weitere neue RT-Indikationen im Rahmen zielgerichteter DLBCL-Therapien ergeben, hier sind weitere, auch prospektive Studien notwendig, um den Stellenwert der Bestrahlung weiter zu untersuchen und Behandlungsleitlinien anzupassen, fordern die Experten. Zusammenfassend solle die RT-Indikation individualisiert anhand von Risikofaktoren wie Alter, altersadjustierter internationaler Prognoseindex (aaIPI) oder dem Ansprechen nach Systemtherapie (PET-Kontrolle) erfolgen.
„Das Beispiel DLBCL zeigt, wie wesentlich eine genaue Patientenselektion für den Erfolg einer Therapie ist und dass es sich lohnt, Subgruppenanalysen durchzuführen“, so Universitätsprofessorin Dr. Stephanie Combs, Pressesprecherin der DEGRO. Dank der aktuellen Studie [1] können wir jungen Patientinnen und Patienten mit Resttumor nach der Immunchemotherapie nun eine Therapie anbieten, die zu einem um 13 Prozent erhöhten Gesamtüberleben führt und das 10-Jahres-ereignisfreie-Überleben fast verdoppelt.“
[1] Oertel M, Ziepert M; Frontzek F et al. Estimating the impact of radiotherapy in young, high-risk patients with aggressive b-cell lymphoma: a long-term analysis of the open-label, randomized, phase 3 R-MegaCHOEP trial. Deutscher Krebskongress 2024; Abstract 1054.
[2] Oertel M, Ziepert M, Frontzek F. Radiotherapy in younger patients with advanced aggressive B-cell lymphoma – long-term results from the phase 3 R-MegaCHOEP trial –Leukemia. In press. DOI: 10.1038/s41375-024-02231-9
[3] Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Diagnostik, Therapie und Nachsorge für erwachsene Patient*innen mit einem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom und verwandten Entitäten, Langversion 1.0, 2022, AWMF-Registernummer: 018/038OL https://www.leitlinienprogrammonkologie.de/leitlinien/dlbcl/
https://register.awmf.org/assets/guidelines/018-038OLl_Diagnostik-Therapie-Nachsorge-erwachsene-PatientIinnen-diffusen-grosszelligen-B-Zell-Lymphom-verwandten-Entitaeten-DLBC-2022-10.pdf
[4] Oertel M, Berdel C, Held G et al. The new German evidence-based guideline on diffuse large B-cell lymphoma-key aspects for radiation oncologists. Strahlenther Onkol. 2023 Feb;199(2):115-120. doi: 10.1007/s00066-022-02035-9. Epub 2023 Jan 4. PMID: 36598520; PMCID: PMC9877084.
[5] Schmitz N, Nickelsen M, Ziepert M et al.; German High-Grade Lymphoma Study Group (DSHNHL). Conventional chemotherapy (CHOEP-14) with rituximab or high-dose chemotherapy (MegaCHOEP) with rituximab for young, high-risk patients with aggressive B-cell lymphoma: an open-label, randomised, phase 3 trial (DSHNHL 2002-1). Lancet Oncol. 2012 Dec;13(12):1250-9. doi: 10.1016/S1470-2045(12)70481-3. Epub 2012 Nov 16. PMID: 23168367.
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