Radiologische Nachsorge „to go“: Digitale Möglichkeiten der Lebensqualitätserfassung

Auch für ein klinisches Fach wie der Radioonkologie, das relativ „techniklastig“ ist, stellt die Lebensqualität einen wesentlichen Parameter des Therapieerfolgs dar. Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) wurden Möglichkeiten der digitalen Erfassung des „patient reported outcome“ nach Strahlentherapie diskutiert. Aufgrund der zunehmenden Verfügbarkeit mobiler digitaler Endgeräte in allen Altersklassen der Bevölkerung könnte es mit diesem Verfahren in Zukunft möglich sein, die Auswirkungen eines Tumors und der Tumorbehandlung auf den Gesundheitszustand des Patienten weitreichender und genauer zu erfassen als bisher.

Heute stellte eine Arbeitsgruppe aus Linz ein erstes individuell gefertigtes Tool zur digitalen Erfassung von „patient-reported outcomes“ auf dem DEGRO-Kongress in Berlin vor. Die zugrundeliegende Idee ist, die Lebensqualität von Patienten systematisch und regelmäßig zu erfassen, gleichzeitig die ambulante radiologische Nachsorge zu entlasten und darüber hinaus auswertbare Daten zur Lebensqualität der Patienten zu gewinnen. „Wir haben eine Anwendung entwickelt, die diesen Ansprüchen gerecht werden kann“, erklärt Prim. Prof. Dr. Hans Geinitz, Linz/Österreich. „Die Patienten können bequem am Smartphone, Tablet oder PC unsere Fragen zu Nebenwirkungen und Folgeerscheinungen beantworten und die Daten stehen anschließend der Wissenschaft zur Auswertung zur Verfügung.“

Bereits vor der Behandlung werden die Patienten mit dem Programm vertraut gemacht, eine Fachpflegekraft erklärt ihnen die Anwendung und zeigt alle Funktionen. Willigt der Patient ein teilzunehmen, erhält er dann in festen Abständen (nach 3 Monaten, 6 Monaten, 1 Jahr, 2 Jahren) eine Nachricht auf sein Handy, mit der Bitte, die „Eigenbefragung“ durchzuführen. Das System ist so programmiert, dass es nur solche Nebenwirkungen und mögliche Therapiefolgen abfragt, die bei der Therapie, die der Patient erhalten hat, auch auftreten können. Beispiel: Wurde der Patient im Kopf-Hals-Bereich bestrahlt, liegt der Fokus auf Nebenwirkungen wie Schluckbeschwerden, Geschmacksverlust usw. Neben dem Abfragen möglicher indikationsspezifischer Beschwerden muss der Patient auch einen Lebensqualitätsbogen (EORTC QLQ-C30) ausfüllen. Das System ist so eingestellt, dass bei gravierenden Nebenwirkungen (Grad 3 oder 4) der behandelnde Radioonkologe informiert wird und den Patienten einbestellen kann. Wie Professor Geinitz ausführt, hilft eine solche digitale Lebensqualitätserfassung, die Nachsorge effektiver zu gestalten. „Wir sehen dann nicht in regelmäßigen Abständen alle Patienten, von denen uns die meisten dann berichten, dass sie keine oder nur wenig Beschwerden haben – denn die Strahlentherapie ist heutzutage relativ gut verträglich. Stattdessen sehen wir nur die, die auch tatsächlich Beschwerden haben und der medizinischen Nachsorge bedürfen.“ Das spart Zeit – sowohl dem Arzt als auch den Patienten – und dem Gesundheitssystem Ressourcen.

„Das macht das System auch für Deutschland sehr interessant“, kommentiert Prof. Dr. Dr. Jürgen Debus, Präsident der DEGRO. „Denn wir sind verpflichtet, alle Patienten nachzubetreuen. Mit der digitalen Erfassung des „patient-reported outcome“ kann man dieser Verpflichtung effizient nachkommen: Alle werden erfasst, aber einbestellt werden gezielt nur die Patienten ein, die gesundheitliche Probleme haben – und für die Versorgung dieser Patienten bleibt dem Arzt dann mehr Zeit.“

Hinzu kommt, dass die eingegebenen „patient-reported outcomes“ auch wissenschaftlich ausgewertet werden sollen. Die Linzer Arbeitsgruppe plant, in der Pilotphase zunächst nur Patienten in der Palliativsituation in das Projekt einzubinden. „Wir mussten den Userkreis für die Anfangs-/Testphase eingrenzen und haben daher die Patienten gewählt, zu deren Lebensqualität es bislang nur wenige valide Daten gibt“, erklärte Professor Geinitz. „Wenn wir Daten von einer Vielzahl an Patienten analysieren können, lassen sich ggf.  trotz großer Heterogenität der Patienten (unterschiedliche Grunderkrankungen, Alter etc.) gewisse Muster erkennen. Wir hoffen also, dass wir Erkenntnisse generieren können, die Patienten in der Zukunft helfen können.“  Der Startschuss des Projekts soll noch in diesem Jahr fallen, auf der nächsten Jahrestagung kann ein erster Praxisbericht erwartet werden.