Forschungshighlights des Kongresses – die Ära der personalisierten Strahlentherapie hat begonnen
Bekannt ist z.B. aus der Brustkrebstherapie, dass bestimmte Tumormerkmale, z.B. Mutationen auf den BRCA-Genen, prädiktiv für das Ansprechen auf bestimmte Medikamente sind. Dass solche Merkmale auch das Ansprechen auf die Strahlentherapie vorhersagen können, ist relativ neu – erste Daten weisen darauf hin und ebnen den Weg zu einer personalisierten Radioonkologie. Als Teil der Kombinationstherapie ist die Strahlentherapie ohnehin Bestandteil von personalisierten Behandlungskonzepten, z.B. mit Checkpoint-Inhibitoren, denn sie kann deren Anti-Tumor-Wirkung verstärken. Eine solche katalysierende Wirkung könnte sie auch bei der vielversprechenden Therapie mit CAR T-Zellen haben.
Die Strahlentherapie unterstützt die personalisierte Therapie mit neuen Krebsmedikamenten maßgeblich. Zahlreiche Studien haben bereits belegt, dass sie z.B. die Wirkung von Checkpoint-Inhibitoren maßgeblich „boostert“. Diesen Effekt zeigt auch eine Auswertung, die Dr. med. Ilinca Popp aus dem Universitätsklinikum Freiburg präsentierte [1]. Sie zeigte erste Ergebnisse der prospektiven, monozentrischen, einarmigen RadImmun-NSCLC-Studie. Untersucht wurden die systemischen Effekte einer kombinierten palliativen Immun- und Strahlentherapie bei metastasiertem NSCLC mit unzureichendem Ansprechen (Oligoprogress) auf Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Ein Ansprechen (partielle Remission oder Stabilisierung der Erkrankung) erreichten nach drei, sechs und zwölf Monaten 56%, 36% und 20% der Teilnehmenden. Das mediane Gesamtüberleben ab Bestrahlungsbeginn betrug 18 Monate, das mediane progressionsfreien Überleben vier Monate. Vor Beginn der Radiotherapie wurden median 14 (3-55) Immuntherapiezyklen verabreicht und in 88% der Fälle konnte die Immuntherapie danach für 11 (1-45) weitere Zyklen fortgeführt werden. Bei 20% (n=5) musste die Immuntherapie wegen immunvermittelter Nebenwirkungen abgebrochen werden. Zusammenfassend zeigen die Zwischenergebnisse der RadImmun-NSCLC Studie, dass eine palliative Bestrahlung progredienter Läsionen unter Immun-Checkpoint-Inhibitoren zu einem systemischen Ansprechen führen und dass in den meisten Fällen die Immuntherapie fortgeführt werden kann.
Einen ähnlich synergistischen Anti-Tumor-Effekt scheint es auch für die Kombination aus Strahlentherapie und CAR T-Zellen zu geben, die derzeit als große Hoffnung in der Onkologie gelten. Die Gabe dieser CAR-T-Zellen führt bei den Betroffenen zur zielgenauen Immunantwort gegen den Tumor und scheint das Gesamtüberleben (OS) bei rezidivierenden/therapierefraktären hämato-onkologischen Erkrankungen zu verbessern. Jiaqi Fan, Köln, präsentierte die primären Ergebnisse der ersten retrospektiven, multizentrischen Studie [2] (vier deutsche Universitätskliniken) zu möglichen synergistischen Effekten der Strahlentherapie (RT) in Kombination mit CAR T-Tx. Die RT (median 35,5 Gy)
wurde insgesamt gut vertragen (44/48 RTs nur milde Toxizität ≤ CTCAE Grad 2); sie beeinflusste die Sicherheit der CAR T-Tx nicht negativ, sondern hatte einen potenziell protektiven Effekt, denn für das Gesamtüberleben ergab sich statistisch ein tendenzieller Vorteil für die bestrahlten Patientinnen und Patienten.
„Diese Therapiekombination muss noch genauer untersucht werden, doch wie es scheint, ist die Strahlentherapie als ‚Verstärker‘ von Immuntherapien in der modernen, personalisierten Onkologie nicht mehr wegzudenken“, erklärt DEGRO-Pressesprecherin Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs.
Die Strahlentherapie ist aber nicht nur Teil der personalisierten Krebsmedizin, wenn es um den Einsatz in Kombination mit zielgerichteten Medikamenten geht. Auch per se kommt die Strahlentherapie zunehmend im Sinne einer personalisierten Therapie zum Einsatz. Eine von Dr. Sandra Classen auf dem Kongress vorgestellt Arbeit [3] kam zu dem Ergebnis, dass BRCA1-Mutationen den Immunphänotyp und die Strahlenresistenz bei Mammakarzinom beeinflussen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Strahlenresistenz in BRCA-mutierten Zellen mit einer verminderten Aktivierung der intrazellulären Immunantwort bzw. einer aktiven Unterdrückung der Anti-Tumor-Antwort verbunden sein könnte. Nun muss untersucht werden, ob diese Tumoren auf eine erhöhte Strahlendosis reagieren oder auf die Hinzunahme von Checkpoint-Inhibitoren – oder die Resistenz bestehen bleibt. „Somit können wir die Strahlentherapie personalisiert je nach Subtyp des Brusttumors applizieren und Dosisanpassungen je nach molekularer Tumoreigenschaft vornehmen“, erklärt Combs.
Einen interessanten Ansatz, Strahlenresistenzen zu überwinden, präsentiert Leon Jonas Blankenstein,
Dresden [4]. Er analysierte gezielt die Funktion der PAK-Isoformen bei Strahlenresistenz und der Invasionsfähigkeit bei Hirntumorzellen (Glioblastomzellen). Im Ergebnis stellte er fest, dass PAK4 ein bedeutender Modulator der Strahlenresistenz von Glioblastomzellen ist. Nun müsse der Signalweg zwischen PAK4 und der DNA-Reparatur weiter erforscht werden, denn er kann ein vielversprechendes Therapietarget darstellen, um Tumorzellen für Strahlen sensibel zu machen.
1] VS03-3-jD. Ilinca Popp et al. Kombinierte palliative Strahlen- und Immuntherapie bei metastasiertem oligoprogredientem NSCLC – Vorläufige Ergebnisse der prospektiven RadImmun-NSCLC Studie.
[2] VS02-4-jD. Jiaqi Fan et al. CAR T-Zellen als große Hoffnung in der Onkologie – hat die Radiotherapie einen
positiven synergistischen Effekt? Ergebnisse einer Multicenter-Studie
[3] High-02-4-jD. Sandra Classen et al. Auswirkungen von BRCA1-Mutationen auf Strahlenresistenz und Immunphänotyp in Brustkrebszellen.
DEGRO-Pressestelle
Dr. Bettina Albers
Tel. 03643/ 776423
Mobil 0174/2165629