Die Kraft von Strahlen: DEGRO würdigt W. Conrad Röntgen als Nestor
Am 8. November 1895 beobachtete Wilhelm Conrad Röntgen bei einem Experiment Leuchteffekte eigentlich unsichtbarer Strahlen. Nur sechs Jahre später, nach Veröffentlichung seiner Arbeit „Über eine neue Art von Strahlen“, erhielt er 1901 dafür den ersten Nobelpreis für Physik. In der Begründung des Komitees wurde damals die praktische Bedeutung der Entdeckung hervorgehoben. Weil diese auch heute noch, 125 Jahre nachdem dieser Meilenstein gesetzt wurde, für die medizinische Diagnostik und Therapie von unschätzbarem Wert ist, würdigt und ehrt die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V. (DEGRO) W. Conrad Röntgen als ihren Nestor.
Die über 100-jährige Geschichte des Einsatzes von Strahlen in der Medizin zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken begann mit der bahnbrechenden Entdeckung von Röntgen, dass mit der Durchleuchtung des menschlichen Körpers durch ionisierende Strahlen die Knochen, aber auch Organe sichtbar werden. Sie war geprägt von großartigen wissenschaftlichen Leistungen, enormem technischen Fortschritt, aber auch oft von Kontroversen unter Medizinern und Wissenschaftlern.
Nach schneller weltweiter Verbreitung der Erkenntnis Röntgens machte man sich diese zunächst in der Diagnostik zunutze. Aber recht bald erschloss man Anfang des 20. Jahrhunderts auch das Potenzial der Röntgenstrahlen, Erkrankungen wie Krebs bekämpfen zu können, indem die Kraft der Strahlen genutzt wird, um Tumorzellen, die strahlungssensibler sind als das umgebende Gewebe, mit einer Strahlentherapie zu schädigen und im besten Fall ganz zu vernichten. Das erste Buch über die „Radiotherapie, ihre biologischen Grundlagen, Anwendungsmethoden und Indikationen“ erschien bereits 1907, nur ein Jahr später das „Handbuch der Röntgentherapie“. Es folgte die weitere systematische Erforschung strahlentherapeutischer Möglichkeiten, insbesondere bei der Therapie und Nachbehandlung tiefer gelegener bösartiger Tumoren, bei Haut-, gynäkologischen und anderen Erkrankungen sowie intensive (Grundlagen)-Forschung. Ab den 1960er Jahren wurde die Radioonkologie mit neuen Behandlungs-, verbesserten Lokalisationsmethoden und Planungstechniken sowie der Einführung des Linearbeschleunigers immer besser ausgestaltet. Gleichzeitig wurde schrittweise die Aufgliederung der klinischen Radiologie in einen diagnostischen und einen therapeutischen Sektor realisiert.
Heute ist die Strahlentherapie, häufig in Kombination mit Chirurgie und medikamentöser Tumortherapie, eine unverzichtbare Säule der Krebstherapie und Domäne der Radioonkologen. Die wissenschaftliche Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V. (DEGRO) wurde 1995 gegründet und vereint alle in der in der Radioonkologie tätigen Ärzte, Medizinphysiker und Strahlenbiologen Deutschlands. Sie ist darauf ausgerichtet, die wissenschaftliche Entwicklung der Radioonkologie durch fundierte Forschungs- und evidenzbasierte Behandlungstätigkeit zur Verbesserung der Patientenversorgung abzusichern.
Das klinisch weit gefächerte und innovative Fach ist geprägt durch Interdisziplinärität und Teamwork. Kaum eine andere medizinische Fachrichtung verbindet technische Innovation, Biologie und Arbeit mit dem Patienten so wie die Radioonkologie. Interdisziplinäre Therapiekonferenzen erarbeiten systematische und standardisierte Therapieschemata, um für jeden einzelnen Patienten den besten therapeutischen Weg zu finden und zu behandeln. Grundlage individueller Behandlungspläne der Strahlentherapie sind komplexe Bildverarbeitungs- und Dosisoptimierungsalgorithmen aus den Bilddaten der Röntgen-, Magnetresonanz (MRT)- und Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Gleichermaßen zum Behandlungsauftrag gehört, oft bestehende Vorurteile gegen die Strahlentherapie abzubauen, den Patienten Ängste vor den Nebenwirkungen zu nehmen und sie über den gesamten Behandlungszyklus bis zur Nachsorge fürsorglich zu betreuen. Dabei arbeitet der Radioonkologe eng mit Strahlenbiologen, medizinisch-technischen Radiologieassistenten, medizinischen Fachangestellten und Pflegenden zusammen. Dies wirkt sich insbesondere in der Kombination der Bestrahlung mit medikamentöser Tumortherapie aus, die heute ein wichtiger Bestandteil der Radioonkologie ist. Die intelligente Verknüpfung dieser beiden Therapiemodalitäten benötigt eine hochpräzise Strahlentherapie, um den Therapieerfolg für die Patienten zu optimieren.
Mit modernen Verfahren können mittlerweile viele Tumorerkrankungen auch in fortgeschrittenen Stadien geheilt oder deren Krankheitsverlauf deutlich verlangsamt werden. Es kommen hochpräzise strahlentherapeutische Techniken und Strahlungsarten zur Anwendung, die neben Röntgenstrahlung auch andere, z. B. Gamma- oder Elektronenstrahlen, als jüngste Innovation auch Protonen, Neutronen sowie Schwerionen zur kurativen und palliativen Behandlung gut- und bösartiger Tumoren einsetzen.
W. Conrad Röntgen gilt als Entdecker der Strahlen, weil er als erster ihre Bedeutung sowie das in ihnen steckende Potenzial erkannt und weiter daran geforscht hat. Mit seinen Veröffentlichungen wurde der Grundstein gelegt für die moderne Radio-(Strahlen)therapie, wie sie jetzt als gleichwertige und schonende Alternative zu anderen Therapien bei einem Großteil der Krebspatienten sehr erfolgreich angewandt wird – bei gleicher Effektivität weniger invasiv, oft mit der Option des Organerhalts und deutlich nebenwirkungsärmer als eine Operation oder eine alleinige medikamentöse Therapie. Heute wird bei jedem zweiten Krebspatienten im Laufe seiner Erkrankung eine lokale Strahlentherapie eingesetzt. Die durchschnittlichen Heilungschancen liegen bei ca. 50 % und verbessern sich stetig. Die Radioonkologie leistet dazu einen essentiellen Beitrag.
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