Änderung der Musterweiterbildungsordnung erforderlich – „12 Monate in der stationären Radioonkologie sind notwendig“

Die Musterweiterbildungsordnung (MWBO) 2018 enthält eine missverständliche Formulierung, die nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie perspektivisch die hohe Qualität der Strahlentherapie gefährden könnte. Stein des Anstoßes ist, dass die bisher obligate zwölfmonatige Weiterbildung im stationären Bereich nun auch „in anderen Gebieten“ erfolgen kann. Der Vorstand der DEGRO hat einen Antrag auf Änderung bei der Bundesärztekammer gestellt. Die Weiterbildungszeit in der stationären Radioonkologie, einem hochspezialisierten Fach, sei ein Garant für die hohe Qualität der Versorgung, auch im ambulanten Bereich, darauf könne nicht verzichtet werden.

Die Strahlentherapie ist eine etablierte Säule der Krebstherapie, die mit dazu beigetragen hat, dass viele Patientinnen und Patienten mit einer Tumorerkrankung heute eine deutlich bessere Prognose haben als noch vor ein, zwei Jahrzehnten. Sie arbeitet eng verzahnt mit der chirurgischen Krebstherapie zusammen und verwendet die medikamentösen Krebstherapie in Kombination zur Bestrahlung. Dieses Zusammenwirken der verschiedenen Modalitäten gilt als Schlüssel für den Therapieerfolg, der bei vielen Krebsarten erzielt werden konnte.

Die Radioonkologie ist wie kaum eine zweite medizinische Fachdisziplin ein Gebiet, in dem Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen unbedingt erforderlich sind. Neben einem umfassenden medizinischen Verständnis, z.B. der medikamentösen Tumortherapie, der Tumordiagnostik und des klinischen Befindens der Patienten, setzt das Fach auch Spezialkenntnisse in Physik und technisches Know-how voraus – und dafür bedarf es einer besonders intensiven Fort- und Weiterbildung. „Für zukünftige Radioonkologinnen und -onkologen ist es daher wichtig, die gesamte Weiterbildungszeit von 60 Monaten im Fach zu arbeiten, um sich die tiefen Kenntnisse anzueignen und Erfahrungen in den verschiedenen Bereichen der Strahlentherapie zu sammeln. Stippvisiten in anderen medizinischen Fächern sind nicht zielführend, wenn sie von der Kernweiterbildungszeit abgehen“, erklärt DEGRO-Präsident Univ.-Prof. Dr. Rainer Fietkau, Erlangen.

Doch genau das lässt die Musterweiterbildungsordnung nun zu, denn dort ist festgehalten, dass die zwölfmonatige Weiterbildung in der stationären Weiterbildung auch in anderen Gebieten geleistet werden kann. „Was bei anderen Fächern, zwischen denen es große Schnittmengen gibt, durchaus sinnvoll sein kann, beispielsweise in der inneren Medizin, wenn z.B. ein angehender Kardiologe auch Kenntnisse in der Nephrologie oder Intensivmedizin erwirbt, ist bei einem hochspezialisierten und gleichzeitig so diversen Fach wie der Radioonkologie kontraproduktiv. Angehenden Radioonkologinnen und -onkologen, die auf ihre stationäre Weiterbildung im Bereich der Radioonkologie zugunsten eines anderen Fachs verzichten, fehlt ein wesentlicher Teil der Ausbildung – und das können wir nicht zulassen. Daher haben wir einen Antrag auf eine Änderung der Formulierung in der MWBO, die womöglich nur auf ein unbedachtes ‚Copy & Paste‘ hineingeraten ist, bei der Bundesärztekammer gestellt“, so der Erlangener Radioonkologe. Er gibt zu bedenken, dass durch diese Lücke in der Weiterbildung perspektivisch die hohe Qualität der Versorgung gefährdet sei.

Die Gründe führt die Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) in einer detaillierten Stellungnahme [1] aus. Konkret würde den Ärztinnen und Ärzten dann die Erfahrung mit stationär betreuten, radioonkologischen Patientinnen und Patienten fehlen, die in der Regel „kranker“ sind, einen deutlich schlechteren Allgemeinzustand haben, sei es aufgrund von Komorbiditäten oder der Krebserkrankung, z.B. wenn mehrere Metastasen bestrahlt werden müssen oder eine palliative Bestrahlung gegen den Tumorschmerz indiziert ist, bzw. die Strahlentherapie mit einer medikamentösen Tumortherapie verknüpft werden muss. „Das sind Situationen, die unsere Kolleginnen und Kollegen im ambulanten Kontext zwar seltener sehen, die sie aber trotzdem beherrschen müssen, um eine umfassende und hochqualitative radioonkologische Versorgung leisten zu können“, begründet der DEGRO-Präsident seinen Antrag, dass die stationäre Weiterbildung obligat im Fachbereich Radioonkologie stattfinden muss. „Wir bilden den Nachwuchs ansonsten an der Realität vorbei aus und verwehren ihm Einblicke und Kenntnisse in einem wichtigen Teilbereich des Fachs.“

Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO, sieht das ganz ähnlich: „Die ambulante Ausbildung ist ein wichtiger Bereich und die Kolleginnen und Kollegen leisten dort viel und sind hochkompetent. Das sind sie aber auch, weil sie eine umfassende Weiterbildung, u.a. im stationären Bereich durchlaufen haben. Um die Kompetenz unseres Fachs zu erhalten, muss der Nachwuchs alle Facetten der Strahlentherapie erlernen und auch mit kritischen Situationen und sehr vulnerablen Patientinnen und Patienten umgehen können. Die Weiterbildungszeit in der stationären Radioonkologie ist somit ein Garant für eine zukünftig weiterhin hohe Qualität der Versorgung, auch im ambulanten Bereich.“ Des Weiteren betont die Radioonkologin den hohen Spezialisierungsgrad des Fachs – „eine Strahlentherapie insbesondere auch in Kombination mit einer medikamentösen Tumortherapie durchzuführen, lernen Sie nun mal nicht, auch nicht am Rande, in einer Nachbardisziplin im Krankenhaus. Insofern macht die Öffnungsklausel in der MWBO für unser Fach keinen Sinn.“

DEGRO-Präsident Prof. Fietkau weist auf einen weiteren wichtigen Punkt hin: „Eine Weiterbildung, die wesentliche Schwerpunkte einer hochwertigen ärztlichen Versorgung schwer kranker Tumorpatientinnen und -patienten zu mehr technischen Aspekten der Radioonkologie verlagert, widerspricht letztlich auch ethischen Grundsätzen. Der Mensch muss immer im Vordergrund des ärztlichen Handelns stehen. Wir hoffen daher, dass die nun bestehende Lücke in der MWBO geschlossen und die missverständliche Formulierung korrigiert wird.“

[1] Positionspapier der DEGRO. Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie zur Weiterbildung in der stationären Patientenversorgung für 12 Monate im Gebiet Strahlentherapie. Februar 2021. https://www.degro.org/wp-content/uploads/2021/04/20210324-Memorandum-zur-Weiterbildung-in-der-stationaeren-Patientenversorgung.pdf

DEGRO-Pressestelle
Dr. Bettina Albers
Tel. 03643/ 776423 ||Mobil 0174/2165629
E-Mail: albers@albersconcept.de