Positionspapier der APRO zum Einsatz der Intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT) in der Pädiatrischen Radioonkologie

Was ist eine Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT)?

Die Fluenz-modulierte Radiotherapie, im klinischen Sprachgebrauch als Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) bezeichnet, wurde in den vergangenen Jahren in der Radioonkologie fest etabliert und hat aktuell eine weite Verbreitung erfahren. So wird diese Form der perkutanen Radiotherapie aktuell nicht nur in fast allen radioonkologischen Standorten angeboten, sondern auch in sehr vielen Fällen bei der Therapie erwachsener Patienten eingesetzt. Bei der IMRT wird die Strahlendosis innerhalb jeder Feldfläche moduliert. Dieses erfolgt entweder durch Ausgleichskörper oder mechanische Blendenbewegung. Die Dosisverteilung ergibt sich aus der Summe von meist 5-9 individuell optimierten Feldern.

Welche Vorteile ergeben sich potentiell durch eine IMRT?

Einen besonderen Vorteil bietet die inverse Bestrahlungsplanung, die es ermöglicht zu einer Optimierung der Dosisverteilung nicht nur im Zielvolumen, sondern insbesondere in den umgebenden Risikoorganen zu kommen. Bei unmittelbarer Nähe von sensiblen Risikostrukturen bzw. von Risikoorganen, können bei der IMRT steile Dosisgradienten erzeugt werden, so dass trotz hoher Gesamtdosis im Zielvolumen die Risikoorgane ausreichend geschont werden können. Gerade bei konkav geformten Zielvolumina in direkter Nähe des Risikoorganes ergeben sich erhebliche Vorteile zur Schonung. Auch Zielvolumina von komplexer Form können durch die IMRT konformaler mit der notwendigen Dosis behandelt werden.

Welches sind die technischen Voraussetzungen?

Zur Durchführung der IMRT stehen an den Linearbeschleunigern verschiedene, komplexe Technologien zur Verfügung, die diesen hohen Anforderungen gerecht werden. So werden von verschiedenen Herstellern an verschiedenen Linearbeschleunigern z.B. die RapidArc-Therapie, die Tomotherapie und die Step-and-Shot-Technik angeboten. Da es bei der Applikation dieser Techniken auf eine hohe Präzision bei der Lagerung und Positionierung ankommt, wurden verschiedene Formen der bildgeführten Radiotherapie (= Image-Guided Radiotherapy = IGRT) an den Linearbeschleunigern implementiert und heutzutage weitverbreitet eingesetzt. Dieses sind Techniken der Onlineverifikation mit Detektorsystemen, die Durchleuchtungsbilder im KV- und MV-Bereich erstellen, als auch MV- und KV-CTs.

Die Dosisverteilung einer IMRT wird anhand der Dosis-Volumen-Histogramme beurteilt werden. Hieraus können verschiedene Dosisvolumenparameter für die einzelnen Organe ermittelt werden. Dieses ermöglicht die Beurteilung der Qualität eines Bestrahlungsplans durch den Radioonkologen.

Gibt es auch mögliche Nachteile durch eine IMRT? Was ist zu beachten?

Ein möglicher Nachteil der IMRT in der pädiatrischen Radioonkologie ist die Bestrahlung größerer Körpervolumina mit niedriger Strahlendosis im Ein- und Austritt der Strahlung vor und hinter dem Zielgebiet im Vergleich zu einer Bestrahlung über einzelne Bestrahlungsfelder aus verschiedenen Einstrahlrichtungen.

Dieses kann z. B. den Bewegungsapparat, das Knochenmark, die Lunge oder die Leber betreffen. Akuttoxizität und frühe Spätkomplikationen sind für viele Organe bei der Verwendung einer herkömmlichen perkutanen Radiotherapie über einzelne Stehfelder vergleichbar, zum Teil aber auch niedriger.

Probleme können durch die Belastung größer Knochenmarksvolumina bei den häufig verwendeten intensiven Chemotherapien mit Knochenmarkstoxizität auftreten. Insbesondere bei simultaner Radiochemotherapie kann hierbei eine limitierende Hämatotoxizität auftreten. Diese Hämatotoxizität kann bei Verabreichung entsprechender Strahlendosen auch von längerfristig anhaltender Dauer sein, was die weitere Gabe von Chemotherapie, z. B. Erhaltungstherapien, einschränkt.
Ein weiteres Problem der IMRT kann bei großvolumiger Belastung des Bewegungsapparats die spätere Wachstumseinschränkung in größeren Körpervolumina sein. Der Behandlungsplan muss diesbezüglich eingehend analysiert und mit alternativen, herkömmlichen konformalen Behandlungsplänen verglichen werden, um das Risikopotenzial beurteilen zu können. Wachstumseinschränkungen treten aber auch bei der Therapie mit herkömmlichen Behandlungsplänen auf, so dass es aktuell offen bleibt, ob die Verwendung einer IMRT bei Kindern und Jugendlichen einen Nachteil bedeutet. Kontrovers wird der Einfluss der IMRT für die Induktion von Sekundärmalignomen diskutiert. Auch bei der Gabe von niedrigen Strahlendosen kann es zur Induktion von Sekundärmalignomen kommen. Von strahlenbiologischer Seite wird bei Verwendung niedriger Strahlendosen sogar ein höheres Risiko für die Malignominduktion diskutiert. Das Risiko für einen strahleninduzierten Zweittumor hängt von verschieden Faktoren ab, so nimmt das Risiko mit steigender Dosis für bestimmte Organe zu. Zwischen den verschiedenen Organen konnten hierfür Unterschiede in der Dosiswirkungsbeziehung gezeigt werden. Auch die Größe des bestrahlten Volumens ist von Bedeutung. Wird ein größerer Teil eines Organs bestrahlt, kommt es auch zu einer höheren Wahrscheinlichkeit für das spätere Auftreten eines Zweittumors. Es existieren viele andere Risikofaktoren, wie die genetische Veranlagung, das Alter des Patienten in Verbindung mit der Organentwicklung oder die Gabe bestimmter Chemotherapien. Langzeitdaten zeigen, dass ein relevantes und für bestimmte Risikogruppen ein auch hohes Risiko für Spätkomplikationen und Zweitmalignome nach erfolgreicher Erstbehandlung eines Tumors im Kindes- und Jugendalter besteht.

In der Therapieplanung ergeben sich teilweise neue Herausforderungen. Spezielle Aufmerksamkeit sollte dahin zielen, nicht durch die im Vergleich zu konventionellen Techniken großflächigeren Bestrahlungsvolumina ungewöhnliche Risikostrukturen zu übersehen. So wurde z. B. mit konventionellen Techniken für die Behandlung der Neuroachse die Brustdrüse nicht berücksichtigt (und auch nicht belastet). Mit IMRT Techniken hingegen muss die Vermeidung einer Brustbelastung aktiv herbeigeführt werden.

Welche Erfahrungen und Daten liegen bislang vor?

In den letzten Jahren wurde die IMRT auch in der pädiatrischen Radioonkologie zum Einsatz gebracht. Auch hier wird es möglich, trotz der Applikation von hohen Gesamtdosen, wie bei der Behandlung von Sarkomen, Hirntumoren oder auch komplexen Zielvolumina, wie der Neuroachse, für die Entlastung nahgelegener Risikostrukturen, wie z. B. dem Hirnstamm, dem Rückenmark und den Nieren, günstigere Dosisverteilungen zu erreichen.

Es finden sich in der Literatur bislang Berichte zur frühen klinischen Ergebnissen oder Dosisvergleichsstudien bei den ZNS Tumoren (Paulino et al. Nancer 2013, Beltran et al. IJROBP 2012, Boehling et al. IJROBP 2012, Polkinghorn et al. IJROBP 2011, Kusters et al. IJROBP 2011), bei sarkomatösen Tumoren (Yang et al. Pediatr Blood Cancer 2013, Lin et al. IJROBO 2012, Curtis et al. IJROBP 2009, McDonald et al. IJROBP 2008) und einigen anderen (Panandiker etc. al Pediatr Blood Cancer 2013, Beneyton et. al. BMC Med Phys 2013, Hoppe, et al. 2012, Lin et al. IJROBP 2012, Sterzing et al. Radiat Oncol 2009).

Für eine definitive Beurteilung des Risikos für Zweitmalignome durch eine IMRT liegen zu wenige Daten vor. Es wird auch weiterhin kontrovers diskutiert, ob das Risiko durch eine IMRT höher ist als durch eine herkömmliche dreidimensionale Bestrahlung über einzelne Bestrahlungsfelder. Es wird wahrscheinlich erst in 5-10 Jahren erkennbar werden, ob durch die IMRT ein höheres Risiko für das Auftreten radiogener Zweittumoren vorliegt.

Welche Empfehlungen ergeben sich?

Es sollte in jedem möglichen Indikationsfall durch vergleichende Bestrahlungsplanung der für den Patienten beste Therapieplan ausgewählt werden. Moderne Bestrahlungstechniken, wie die IMRT und IGRT, können in Kenntnis und sorgfältiger Abschätzung der möglichen, hier diskutierten Risiken auch in der pädiatrischen Radioonkologie zum Einsatz kommen. Es ist in jedem Behandlungsfall die individuell optimale Bestrahlungsform zu verwenden.

Zusammenfassung

  • Die IMRT ermöglicht eine hoch-konformale Dosisabdeckung von komplexen Volumina auch bei ungünstigen Lageverhältnissen zu den Risikoorganen.
  • Die IMRT wird durch eine Vielzahl von Feldern an unterschiedlichen modernen Bestrahlungsgeräten erzeugt.
  • Häufig ist die IMRT mit einer sog. „Image Guidance“ (Bildführung) verbunden.
  • Die Verwendung von multiplen Feldern und einer Bildführung bedeutet eine relativ großflächige Belastung der betroffenen Körperregion mit niedriger und mittlerer Dosis im Vergleich zu einer nicht-IMRT.
  • Die Streuung von Dosis ist bei Kindern als kritisch einzustufen, weil hierdurch potentiell das Risiko von Zweittumoren erhöht wird.
  • Ebenso ist bei der IMRT ein Augenmerk auf die mögliche Hämatotoxizität zu legen.
  • Durch die breitflächigen Ein- und Austrittsdosen müssen u. U. andere Risikoorgane als früher bei ähnlichen Zielvolumina üblich beachtet werden (z. B. Brustdrüsen bei einer IMRT/Tomotherapie der kraniospinalen Achse).
  • Dennoch ist die Verwendung einer IMRT sinnvoll, wenn die vorgesehenen Dosen nicht mit der notwendigen Schonung kritischer Strukturen vereinbar sind.
  • Es empfiehlt sich, eine Entscheidung zum Einsatz der IMRT unter Zuhilfenahme einer Vergleichsplanung herbeizuführen

R. Schwarz in Abstimmung mit B. Timmermann, H. Schüller, A. Glück, C. Martini Stand 03.07.2013