Ernährung und Strahlentherapie Mangelernährung und Gewichtsverlust gezielt abwenden

Mannheim, Juni 2016 – Bis zu 80 Prozent aller Patienten mit einer Krebserkrankung im Magen oder in der Speiseröhre sind bereits mangelernährt, bevor sie eine Behandlung be­ginnen. Eine Strahlentherapie kann zu Übelkeit und Erbrechen führen, die diesen Effekt noch verstärken. Dabei können Mangelernährung und Gewichtsabnahme sich negativ auf das Wohlbefinden und den Therapieerfolg auswirken. Mit individuell zugeschnittenen Er­nährungskonzepten können die Ärzte gegensteuern. Darauf weisen die Experten im Vor­feld der 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) vom 16. bis 19. Juni 2016 in Mannheim hin. Gleich zwei wissenschaftliche Symposien befassen sich mit diesem Thema.

Die meisten Krebspatienten vertragen die Strahlentherapie gut, erklärt Tagungspräsident Pro­fessor Dr. med. Fredrik Wenz, der die Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Uni­versitätsklinikum Mannheim leitet. „Nebenwirkungen sind erfreulicherweise rückläufig, dank neuer Bestrahlungstechniken, die den Tumor punktgenau treffen.“

Bei bestimmten Tumoren im Hals-, Nasen-, Ohrenbereich, der Speiseröhre, bei gynäkologi­schen Tumoren, Blasen oder Prostatakrebs ist das „Mitbestrahlen“ des Verdauungstraktes aber fast nicht zu verhindern, weil er an den Tumor angrenzt oder gar direkt im Tumorbereich liegt. Professor Wenz: „Das größte Problem der Radiotherapie im oberen Teil unseres Verdauungs­apparates ist, dass die meisten Patienten bereits vor Beginn jeglicher Behandlung durch die Tu­morerkrankung selbst mangelernährt sind.“

Wenn dann bei der Bestrahlung der besonders empfindliche Bereich zwischen Bauchnabel und Rippenbogen nicht ausgespart werden kann, sind Übelkeit und Erbrechen mögliche Nebenwir­kungen. Nimmt der Patient in dieser Zeit zu wenige Nährstoffe auf, entwickelt er eine Mangel­ernährung oder verstärkt die bereits bestehende – das psychische und körperliche Wohlbefinden leiden. „Es ist aber nicht nur die Lebensqualität, die uns dann Sorgen macht“, erklärt der Ta­gungspräsident. „Die Patienten sind mitunter infektionsanfälliger und Heilungsprozesse, ins­besondere Reparaturmechanismen am Normalgewebe, können verlangsamt sein.“

„Wichtig ist es, ab der Erstdiagnose des Tumors regelmäßig eine ernährungsmedizinische Stan­darduntersuchung durchzuführen“, merkt der Präsident der DEGRO, Professor Dr. med. Jürgen Debus an. Ein spezieller Fragebogen, das Nutritional Risk Screening (NRS 2002), erfasst An­zeichen für Mangelernährung.

Bei Tumoren im unteren Rumpfbereich wie bei gynäkologischen Tumoren oder Mastdarmkrebs sind Entzündungen des Darms möglich. Diese kann der Arzt mit antientzündlichen Medikamen­ten und Mikronährstoffen behandeln. „Der Patient sollte in dieser Zeit eher kein rohes Gemüse und wenig Ballaststoffe zu sich nehmen. Wir empfehlen eine leichte Vollkost, bei der auf Kof­fein, stark zucker- und fetthaltige Lebensmittel, scharfe Gewürze und schwer Verdauliches wie Hülsenfrüchte oder Pilze verzichtet wird“, empfiehlt Professor Debus, Ärztlicher Direktor der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Universitätsklinikum Heidelberg. Wenn Pa­tienten aufgrund ihrer Krebserkrankung und der Therapie keine Nahrung zu sich nehmen kön­nen, verhindert eine Ernährungssonde oder eine Infusion mit Nährstofflösung einen weiteren Gewichtsverlust.

Für die Strahlenexperten heißt die Herausforderung: Trotz verbesserter und schonenderer Be­strahlungsmethoden muss für jeden Patienten ein individuell passendes Ernährungskonzept ge­funden werden. „Das geht natürlich nur interdisziplinär zusammen mit Ernährungsmedizinern und Ernährungsberatern“, betont Tagungspräsident Wenz.

Neue Erkenntnisse über die Problematik von Ernährung und Strahlentherapie und welche Er­nährungskonzepte sich für Krebspatienten bewährt haben, diskutieren die Experten in zwei Symposien der DEGRO-Jahrestagung vom 16. bis 19. Juni 2016 in Mannheim.

 

Literatur:
H. Bertz, Th. Brunner: Ernährungsprobleme unter Radiotherapie (RT) und Radiochemotherapie (RCT).
Aktuel Ernährungsmed 2016; 41(02): 88-94. DOI: 10.1055/s-0042-102127. https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0042-102127

 

Terminhinweise:
Pressekonferenz anlässlich der 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie
Termin: Donnerstag, 16. Juni 2016, 11:00 bis 12:00 Uhr
Ort: Congress Center Rosengarten Mannheim, Raum 3.9
Anschrift: Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim

 

Symposien:
SY10 Integrative Medizin – Ernährungsmedizin in der Radioonkologie
Vorsitz: F.-J. Prott (Wiesbaden), O. Micke (Bielefeld)
Termin: Freitag, 17. Juni 2016, 10:30–12:00 Uhr
Ort: Congress Center Rosengarten Mannheim, Raum Gustav Mahler III
Anschrift: Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim

SY16 Symposium (für Studenten) – Ernährung, Bewegung und Krebs
Vorsitz: F.-J. Prott (Wiesbaden), U. Haverkamp (Münster)
Termin: Samstag, 18. Juni 2016, 10:30–12:00 Uhr
Ort: Congress Center Rosengarten Mannheim, Raum Gustav Mahler II
Anschrift: Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim

 

Weitere Informationen zur Tagung und das wissenschaftliche Programm finden Sie im Internet unter www.degro.org/degro2016/