Prophylaxe der oralen Mukositis – weitere Daten zu Zink

Die akute Reaktion der Mundschleimhaut ist eine häufige Nebenwirkung in der Strahlentherapie von Kopf-Hals-Tumoren, die potenziell zu Therapiepausen sowie einer Reduktion der Tumorheilungsaussichten führen kann [1]. Weiterhin führen überschießende Akutreaktionen in vielen Fällen zu einer Verstärkung von späten Strahlenfolgen. Die Verminderung der radiogenen Mukositis mit dem Ziel der Vermeidung von Bestrahlungspausen und der Verminderung von Spätschäden kann den Therapierfolg der Strahlentherapie entscheidend verbessern. Prophylaktische Maßnahmen zur Vermeidung der radiogenen Mukositis sind begrenzt. Allgemein kann eine prätherapeutische Zahnsanierung sowie regelmäßige mundhygienische Maßnahmen nach den Mahlzeiten, Spülungen (Benzydamin und Tee) sowie die Vermeidung von Noxen (Alkohol, Tabak, zuckerhaltige Getränke und heiße Speisen) empfohlen werden [2, 3]. Die vorgestellte Studie untersucht die Anwendung unterschiedlicher Mundspüllösungen (Zinksulfat 1%, Polyherbal (bestehend aus Kamille, Pfefferminzöl, Aloe vera-Gel, Honig, Kaliumsorbat, Ascorbin- und Zitronensäure, Glycerin und Wasser), Chlorhexidin 0.2% versus Placebo und das Auftreten und Schwere der radiogenen Mukositis in der Strahlentherapie von Kopf-Hals-Tumoren [4].

Sahebnasagh M., Aksi V., Eslami F., Lashkardoost H., Kasaian J., Golmohammadzadeh S., Parkam B., Negarandeh R., Saghafi F. and Sahebnasagh A. (2023) Prevention of radiotherapy-related oral mucositis with zinc and polyherbal mouthwash: a double-blind, randomized clinical trial. European Journal of Medical Research, 28(1), pp.1-9.

Methodik und Ergebnisse

Im Rahmen einer unizentrischen prospektiven, doppelt-verblindeten, randomisierten Phase-II Studie wurden 67 Patient:innen mit Kopf-Hals-Tumoren in vier Therapiearmen untersucht. Es wurden nur Patient:innen im Alter über 18 Jahre, geplante Strahlentherapiedosis (≥30Gy), keine Vorbestrahlung und das Zielvolumen im Bereich der Mundhöhle eingeschlossen. Es wurden Mundspüllösungen mit Zinksulfat 1% versus Polyherbal (bestehend aus Kamille, Pfefferminzöl, Aloe vera-Gel, Honig, Kaliumsorbat, Ascorbin- und Zitronensäure, Glycerin und Wasser), versus Chlorhexidin 0.2% versus Placebo verglichen. Die jeweilige Indikation zur Strahlentherapie wurde nicht berichtet. Die mediane Bestrahlungsdosis in den vier Armen (Chlorhexidin: 61,10Gy, Polyherbal: 61,69Gy, Zinksulfat: 64,04Gy versus Placebo: 68,79Gy) war nicht signifikant unterschiedlich (p=0.677). Die Patient:innen wurden vor Therapiebeginn geschult und begannen die 3x tägliche Anwendung der Mundspüllösung am ersten Tag der Bestrahlungsserie für 6 Wochen. Die radiogene Muskositis (Auftreten und Schweregrad) wurde wöchentlich mittels WHO-Grading, Oral Mucositis Assessment Scale (OMAS) und die Schmerzsymptomatik mittels visueller Analogskala (VAS) erhoben.

Es zeigte sich eine signifikante Reduktion der radiogenen Mukositis (OM-Scores und der Schmerzintensität) durch die Anwendung von zinksulfathaltiger oder Polyherbal-Mundspüllösung versus Chlorhexidin-Mundspüllösung oder Placebo in den Wochen 2 bis 7 der Strahlentherapie (P < 0,05). Bei Abschluss der Studie (Woche 7) waren viele Patienten in der Zinksulfatgruppe symptomfrei (8 von 17 Patienten, 47,1 %). Die Patienten der Placebogruppe zeigten die höchste Rate an OM-Grad 3 (56,25 % in Woche 7). Der Schweregrad der Mukositis nahm in der Placebogruppe mit fortgesetzter Strahlentherapie signifikant zu, verglichen mit jeder der Interventionsgruppen. Die mittlere Schmerzstärke in den Studiengruppen wurde anhand des VAS-Scores bewertet. Die mittlere (SD) Schmerzstärke im Polyherbal-Arm war in der 2., 3., 4. und 5. Woche niedriger als in den anderen Gruppen, während die mittlere Schmerzstärke im Zinksulfat-Arm in der 6. und 7. Woche niedriger war.

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>Tabelle mit detaillierten Angaben zu Methodik und Ergebnissen der Studie

Kommentar

In dieser randomisierten Phase-2 Studie wird der Nutzen der lokalen Anwendung unterschiedlicher Mundspüllösungen (Zinksulfat 1%, Polyherbal, Chlorhexidin 0.2% gegenüber Placebo und das Auftreten und Schwere der radiogenen Mukositis in der Strahlentherapie von Kopf-Hals-Tumoren untersucht [4]. Alle vier Therapiearme zeigten eine ausgeglichene Verteilung bezüglich relevanter Patientencharakteristiken (Raucherstatus, Tumorlokalisation, Geschlecht, Voroperation). Die Compliance der 3x täglichen Anwendung der Mundspüllösung wurde durch Messung der Füllhöhe der verwendeten Mundspüllösungsflaschen gemessen. Das Ergebnis wurde nicht berichtet. Schwierigkeiten bei der Anwendung und Nebenwirkungen wurden ebenfalls nicht erhoben.

Die Anwendung insbesondere von zinksulfathaltiger bzw. Polyherbal-Mundspüllösung wird kontrovers aufgrund der antioxidativen Wirkung diskutiert. Ein möglicher tumorprotektiver Effekt aufgrund der antioxidativen Wirkung wurde in der Studie nicht diskutiert. Basierend auf einer Cochrane-Analyse aus 2007, die jedoch nur eine Studie zum Einsatz von Zinksulfat bei der oralen Mukositis einschließen konnte, war eine Auswertung nicht möglich [5]. Eine kontrollierte dreiarmige Studie aus 2020 untersuchte 75 Patienten unter Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich publiziert. Die drei Gruppen erhielten topisch eine 5% Zinkoxidpaste, eine Paste mit Zink (1%), Amla, Tulsi und Curcumin oder eine Standardbehandlung. Der Schweregrad der oralen Mukositis war in der Gruppe mit Zinkpaste und Zinkpräparat im Vergleich zur Placebogruppe signifikant reduziert (p=0,037) [6]. Basierend auf der S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ kann eine Zink-Supplementation zur Prävention der radiogenen Mukositis erwogen werden [7].

Die Polyherbal-Mundspüllösungen zeigte in der hier vorgestellten Studie neben der zinksulfathaltigen Mundspüllösungen ebenfalls einen signifikanten Benefit bezüglich einer Reduktion der radiogenen Mukositis. Welcher Bestandteil oder Kombination dafür genau verantwortlich ist, wurde nicht untersucht.
Chlorhexidin soll nicht prophylaktisch angewandt werden [3]!

Die vorgestellte Studie hat zahlreiche Limitationen neben kleiner Fallzahl, mangelnder Verblindung durch potenzielle Identifikation durch Pfefferminz-Geruch, unklarer Anteil an begleitender Chemotherapie zur Radiotherapie und Dosisverschreibung auf die Mundhöhle, die bedacht werden müssen.

Literatur

1. Dörr W, Dölling-Jochem I, Baumann M, Herrmann T (1997) Therapeutische Beeinflussung der radiogenen oralen Mukositis. Strahlentherapie und Onkologie 173:183
2. Riesenbeck D, Reimann P, Adamietz IA (2013) Prophylaxe und Behandlung von Nebenwirkungen der Strahlentherapie. Der Onkologe 19:267–278
3. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen – Langversion 1.1, 2017, AWMF Registernummer: 032/054OL, http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Supportive-Therapie.95.0.html (Zugriff am 01.04.2023)
4. Sahebnasagh M, Aksi V, Eslami F, Lashkardoost H, Kasaian J, Golmohammadzadeh S, Parkam B, Negarandeh R, Saghafi F, Sahebnasagh A (2023) Prevention of radiotherapy-related oral mucositis with zinc and polyherbal mouthwash: a double-blind, randomized clinical trial. European Journal of Medical Research 28:1–9
5. Worthington HV, Clarkson JE, Bryan G, Furness S, Glenny A-M, Littlewood A, McCabe MG, Meyer S, Khalid T, Riley P (2011) Interventions for preventing oral mucositis for patients with cancer receiving treatment. Cochrane database of systematic reviews
6. CHAITANYA NC, Badam R, Aryasri AS, Pallarla S, Garlpati K, AkHILA M, Soni P, Gali S, Inamdar P, Parinita B (2020) Efficacy of improvised topical zinc (1%) ora-base on oral mucositis during cancer chemo-radiation—A randomized study. Journal of Nutritional Science and Vitaminology 66:93–97
7. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen, Langversion 1.1, 2021, AWMF Registernummer: 032/055OL, https://www.leitlinienprogramm onkologie.de/leitlinien/komplementaermedizin/. Zugriff am 1.4.2023

 

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