Optimierung des Schlucktrainings zur Dysphagieprophylaxe

Schluckstörungen nach erfolgreicher kurativer Radio(chemo-)therapie von Kopf-Hals-Tumoren können langfristig die Lebensqualität der Patient:innen einschränken. Frühzeitiger Einsatz von Dehnungs- und Kräftigungsübungen für den Schluckapparat werden zur Prophylaxe werden, ihr Nutzen ist jedoch bisher nicht sicher nachweisbar (Perry).

Sara Fredslund Hajdú, Wessel I, Oksbjerg S, et al.: Swallowing Exercise During Head and Neck Cancer Treatment: Results of a Randomized Trial. Dysphagia 2022; 37:749-762

In dieser aktuellen Studie wurde ein sehr intensives und individualisiertes Schlucktraining während kurativer Strahlentherapie untersucht.

Methodik und Ergebnisse

In einer einfach-verblindeten, randomisierten Studie erhielten die Patient:innen als Intervention während der Strahlentherapie ein individuell gestaltetes Schlucktraining mit dreimal wöchentlichen Ergotherapien sowie 2x wöchentlicher Physiotherapie plus Selbstständiges Schlucktraining. Die Vergleichsgruppe (Zentrum 1 ) war ohne aktive Therapie bzw. (Zentrum 2) erhielt das Angebot einer Ergotherapie alle 2 Wochen. 235 Patient:innen mit kurativ bestrahlten Kopf-Hals-Tumoren (überwiegend Oropharynxkarzinomen, Referenzdosis 66-68 Gy, 54% mit simultaner Chemotherapie) wurden eingeschlossen, 186 Pat. waren auswertbar, eine intent to treat-Analyse erfolgte. Eine Batterie von objektiven Messungen der Mundöffnung und des Schluckens (endoskopische Evaluation, FEES) und Patientenbasierten Messungen der Schluckqualität, Sondenabhängigkeit und Lebensqualität wurden bei RT-Abschluß, 2, 6 und 12 Monate nach RT durchgeführt. Primärer Endpunkt war die Schlucksicherheit (FEES).
Die dropout-Rate betrug 25%, die Adhärenz mit dem angeleiteten Schlucktraining war median 100%, mit Selbstübungen 78%. Im primären Endpunkt zeigte sich kein Unterschied zwischen beiden Gruppen, dagegen bei Abschluss der RT in einzelnen Qualitäten günstigere Ergebnisse in der Interventionsgruppe: Mundöffnung, Husten sowie nicht-schluckassozierte Symptome: Schmerz, Depression, Obstipation, Nausea, Appetitverlust. Die Differenz war nach 1 Jahr nicht mehr nachweisbar. In einer posthoc-Analyse der Kontrollgruppe ohne Aktivität (Zentrum 1, 128 randomisierte Patient:innen) war 1 Jahr nach RT die Mundöffnung signifikant größer sowie Schmerz, Anxiety, und Depression niedriger.

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>Tabelle mit detaillierten Angaben zu Methodik und Ergebnissen der Studie

Kommentar

Die Studie zeichnet sich durch die sehr intensive, individualisierte Intervention und eine hohe Qualität in der Durchführung aus. Dennoch kann nur für den sekundären Endpunkt Mundöffnung ein Effekt des Trainings gezeigt werden. Der primäre Endpunkt, reduzierte Schlucksicherheit/oder stille Aspiration, trat erfreulicherweise nur bei je 10% in den Gruppen auf (Basiswert je 5%) und ist damit selten. Um eine weitere Reduktion nachzuweisen, war die Gruppengröße zu klein.
Ein wichtiger möglicher Grund für den fehlenden Effekt des Schlucktrainings ist das Angebot einer Betreuung durch Ergotherapeuten auch in der Kontrollgruppe in einem von beiden Zentren (Ergotherapeuten sind in Dänemark auch für Schluckstörungen zuständig). Die posthoc-Analyse der inaktiven Gruppe des anderen Zentrums weist auf einen Effekt der Studienintervention hin, ist aber nicht beweisend.
Die Schluckstörung ist ein komplexes Symptom. Der muskuläre Anteil daran soll durch Kräftigung des Schluckapparats moduliert werden. Wie bei jedem Training ist die kontinuierliche Beübung wahrscheinlich sinnvoll und entsprechend eine Fortführung des Schlucktrainings über das Therapieende hinaus erfolgversprechend. Dagegen sinkt verständlicherweise die Adhärenz der Patient:innen an die empfohlenen Pflegemaßnahmen, die ja auch die Mund-/Zahnpflege und Adaptation der Ernährung umfassen, nach Therapieende und Abklingen der Akutreaktion (Messing).
Zusammenfassend trägt die vorgestellte Studie zu mehreren Studien bei, die auf den Nutzen eines Schlucktrainings hinweisen, diesen aber nicht belegen können.

Literatur

  1. Sara Fredslund Hajdú, Wessel I, Oksbjerg S, et al.: Swallowing Exercise During Head and Neck Cancer Treatment: Results of a Randomized Trial. Dysphagia 2022; 37:749-762
  2. Messing B, E Ward et al.: Prophylactic swallow therapy for tatients with head and neck cancer undergoing chemoradiotherapy: a randomized trial. Dysphagia (2017) 32:487–500
  3. Perry_A, Lee_SH, Cotton_S, Kennedy_C.: Therapeutic exercises for affecting post-treatment swallowing in people treated for advanced-stage head and neck cancers. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 8. Art. No.: CD011112

 

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