Mepitel Film zur Prävention der Radiodermatitis bei Brustbestrahlungen

Die häufigste akute Nebenwirkung der Brustbestrahlung ist die Radiodermatitis (RD). Trotz laufender Forschungsanstrengungen sind bisher nur wenig wirksame prophylaktische und therapeutische Optionen verfügbar. Darüber hinaus kann aus methodischen Gründen nur über wenige Substanzen eine sichere Aussage zur Effektivität getroffen werden, wodurch die Behandlung der RD durch Ärzt*innen weiterhin stark variiert.

Behroozian et al.: Mepitel Film for the Prevention of Acute Radiation Dermatitis in Breast Cancer: A Randomized Multicenter Open-Label Phase III Trial (Journal of Clinical Oncology 2022).

Nach initial widersprüchlichen Ergebnissen über die Wirksamkeit von Mepitel Film zur RD-Prophylaxe i.R. der Brustbestrahlung in zwei randomisierten Phase II Studien [1,2], führten Behroozian et al. eine randomisierte Phase III Studie durch, um die präventive Effektivität zu beurteilen [3].

Methodik und Ergebnisse

In dieser multizentrischen kanadischen Studie wurden Patient*innen mit Risikofaktoren für die Entwicklung einer RD (Patient*innen mit großen Brüsten nach brusterhaltender Therapie, d.h. Brustumfang ≥ 91 cm oder Cup-Größe ≥ C, und Patient*innen nach Mastektomie) inkludiert und im Verhältnis 2:1 randomisiert für Mepitel Film im Bereich der gesamten Brust bzw. der gesamten Thoraxwand vs. Standardhautpflege mit einer Creme auf Wasserbasis (aqueous cream), jeweils ab Beginn der Strahlentherapie bis zwei Wochen nach deren Abschluss. Topische Kortikoide oder Antibiotika waren nach Maßgabe der Behandler*innen in beiden Gruppen bei Beschwerden unter der Therapie erlaubt.

In die intention-to-treat Analyse wurden 376 Patient*innen inkludiert (251 Mepitel Film-Arm; 125 Kontroll-Arm). Der primäre Endpunkt, die Entwicklung einer Grad 2 oder 3 RD während oder bis 3 Monate nach Strahlentherapie, zeigte sich signifikant besser in der Mepitel-Gruppe (16 % vs. 46 %; OR = 0,20; p < 0,0001). Auch Grad 3 RD und feuchte Desquamation waren seltener mit Mepitel Film: 3 % vs. 14 % (OR = 0,19; p < 0,0002) bzw. 8 % vs. 19 % (OR = 0,36; p = 0,002). Darüber hinaus erwiesen sich auch die patient-reported outcomes vergleichsweise besser mit Mepitel Film: weniger Schmerzen (p = 0,001), Brennen (p = 0,004), trockene Desquamation (p = 0,009), Erythem (p = 0,001), Pigmentierung (p < 0,0001) und Ödem (p = 0,03). Topische Antibiotika wurden seltener in der Mepitel-Gruppe verschrieben (23 % vs. 42 %; p < 0,0001), topische Kortikoide wurden in beiden Gruppen vergleichbar häufig rezeptiert. 8 Patient*innen (3 %) der Mepitel-Gruppe brachen die Studie vorzeitig ab (2 Ausschlag, 1 Juckreiz, 5 sonstige Gründe).

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>Tabelle zu Methodik und Ergebnissen

Kommentar

Die bisher publizierten intrapatienten-randomisierten Studien mit Mepitel Film zur RD-Prävention im Rahmen von Brustbestrahlungen waren teilweise inkongruent [1,2]: Herst et al. (n = 78) berichteten über eine 92 % Reduktion der RD (Graduierung nach kombiniertem RISRAS) und eine vollständige Prävention feuchter Desquamationen unter Mepitel Film, was allerdings von Møller et al. (n = 79), die eine verblindete Beurteilung der Haut durch Ärzt*innen durchführten, nicht gleichermaßen bestätigt wurde (Tabelle 1). In der letztgenannten Studie erwiesen sich die patient-reported outcomes (Schmerzen, Juckreiz, Brennen, Ödem, Empfindlichkeit) zwar über alle Patient*innen hinweg, die clinician-reported outcomes jedoch nur bei konventionell-fraktioniert behandelten Patient*innen mit Mepitel Film vorteilhaft.

Zwei vergleichbare rezente Serien mit Hydrofilm (Polyurethanfilm) [4,5] bestätigen den präventiven Benefit Barriereschicht-bildender Folienverbände bei der adjuvanten Ganzbrustbestrahlung. Sowohl bei der konventionellen Fraktionierung (n = 56) wie auch bei der moderaten Hypofraktionierung (n = 74) zeigte sich eine signifikante Reduktion der Prävalenz und des Schweregrades (Tabelle 2) sowie eine verminderte subjektive Beschwerdeintensität der RD (Schmerzen, Brennen, Juckreiz, Einschränkungen). Neben clinician- und patient-reported outcomes wiesen auch objektive Messverfahren (Spektrophotometrie) eine signifikant reduzierte Erythem- und Pigmentierungsintensität nach.

Um die Effektivität von Mepitel Film beurteilen zu können, wurde die Studie von Behroozian et al. mit einer Kohorte mit erhöhtem Risiko für eine RD durchgeführt – denn insbesondere das Brustvolumen gilt als ein Risikofaktor für die Entwicklung einer RD [6]. Die meisten Patient*innen (93 %) erhielten eine hypofraktionierte Strahlentherapie und der Anteil, der einen Boost oder Bolus erhielt, war in beiden Gruppen vergleichbar (29 % vs. 30 % bzw. 14 % vs. 12 %). Wertvoll sind die erhobenen patient-reported outcomes, da es bei der ärztlichen Bewertung der RD oftmals Diskrepanzen zu den von den Patient*innen berichteten Beschwerden gibt, insbesondere hinsichtlich des Einflusses auf die Lebensqualität [7].

Nebenwirkungen waren selten, mild und selbstlimitierend. Lediglich ekzematöse Effloreszenzen und Juckreiz wurden beschrieben. Die vorausgehenden Arbeiten zu Mepitel Film bei der Brustbestrahlung deuteten bereits auf eine gute Verträglichkeit und Compliance hin: bei Herst et al. brachen 4%, bei Møller et al. 15 % die Anwendung des Mepitel Films vorzeitig ab. In anderen Körperregionen ist die Datenlage für die Anwendung von Mepitel Film zur RD-Prophylaxe bislang deutlich schwächer, so im Kopf-Hals-Bereich. Aufgrund einer nur geringen Tolerabilität des Mepitels im Kopf-Hals-Bereich wurde eine randomisierte deutsche Studie vorzeitig abgebrochen (46 % konnten den Filmverband nicht dauerhaft tolerieren) [8].

Herausforderungen bei der Anwendung von Mepitel Film waren laut den Autoren eine suboptimale Adhärenz in den LAW-Regionen (axillär, periklavikulär) oder bei Patient*innen mit großen Brüsten, wo ein Ersatz des Mepitels öfter erforderlich war; auch werden zusätzliche Kosten durch das Aufkleben und dem Zeitaufwand der täglichen Positionskontrollen durch geschultes Personal beschrieben.

Das gewählte Studiendesign, die primären Endpunkte, die Stratifizierungsfaktoren und eine konservative sample size Kalkulation unterstreichen eine hohe Qualität der Ergebnisse und den daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen. Jedoch war aufgrund der sichtbar auf der Haut aufgeklebten Folienverbände eine Verblindung nachvollziehbarerweise nicht möglich, macht einen Bewertungsbias damit aber wahrscheinlicher. Objektive RD-Bewertungsmethoden, obwohl in diesem Kontext bereits validiert [4–6], wurden nicht angewendet. Eine weitere Limitierung der Studie ist die Ungenauigkeit bei der Festlegung des Brustvolumens als eines der Einschlusskriterien: an Stelle von BH-Größen wäre ein definiertes Brustvolumen zielführender gewesen und hätte ein quantitatives Maß der Vergleichbarkeit zwischen Interventions- und Standardgruppe geboten, welche hier offenbleibt. Eine fehlende Stratifizierung nach dem Hauttyp (z.B. analog Fitzpatrick): hellere Hauttypen (I und II) als ein prognostisch günstiger Faktor für die Entwicklung einer milden RD [6], waren häufiger in der Mepitel-Gruppe vertreten (33 % vs. 22 %; p = 0,0556) und könnten dadurch das Ergebnis im Sinne der Intervention verfälscht haben. Auch dedizierte Angaben zu den verwendeten Bestrahlungstechniken bleiben offen.

Trotz der kritischen Würdigung möglicherweise verzerrender Faktoren konsolidiert sich mit der aktuellen Publikation von Behroozian et al. die Datenlage hinsichtlich der RD-Prävention in der adjuvanten Ganzbrustbestrahlung mit Film- und Folienverbänden weiter. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass Barriere-bildende Verbände im Kontext der adjuvanten Brustbestrahlung bei Hochrisikopatient*innen, nicht zuletzt aufgrund eines günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses, empfohlen werden können.

Literatur

[1] Herst PM, Bennett NC, Sutherland AE, Peszynski RI, Paterson DB, Jasperse ML. Prophylactic use of Mepitel Film prevents radiation-induced moist desquamation in an intra-patient randomised controlled clinical trial of 78 breast cancer patients. Radiother Oncol 2014;110:137–43. https://doi.org/10.1016/j.radonc.2014.01.005.

[2] Møller PK, Olling K, Berg M, Habæk I, Haislund B, Iversen A-M, et al. Breast cancer patients report reduced sensitivity and pain using a barrier film during radiotherapy – A Danish intra-patient randomized multicentre study. Tech Innov Patient Support Radiat Oncol 2018;7:20–5. https://doi.org/https://doi.org/10.1016/j.tipsro.2018.05.004.

[3]  Behroozian T, Milton L, Karam I, Zhang L, Ding K, Lou J, et al. Mepitel Film for the Prevention of Acute Radiation Dermatitis in Breast Cancer: A Randomized Multicenter Open-Label Phase III Trial. J Clin Oncol 2022:JCO.22.01873. https://doi.org/10.1200/JCO.22.01873.

[4] Schmeel LC, Koch D, Stumpf S, Leitzen C, Simon B, Schüller H, et al. Prophylactically applied Hydrofilm polyurethane film dressings reduce radiation dermatitis in adjuvant radiation therapy of breast cancer patients. Acta Oncol (Madr) 2018;57:908–15. https://doi.org/10.1080/0284186X.2018.1441542.

[5]  Schmeel LC, Koch D, Schmeel FC, Bücheler B, Leitzen C, Mahlmann B, et al. Hydrofilm polyurethane films reduce radiation dermatitis severity in hypofractionated whole-breast irradiation: an objective, intrapatient randomized dual-center assessment. Polymers (Basel) 2019;11. https://doi.org/10.3390/polym11122112.

[6] Böhner AMC, Koch D, Schmeel FC, Röhner F, Schoroth F, Sarria GR, et al. Objective evaluation of risk factors for radiation dermatitis in whole-breast irradiation using the spectrophotometric L*a*b* colour-space. Cancers (Basel) 2020;12. https://doi.org/10.3390/cancers12092444.

[7] Behroozian T, Milton L, Zhang L, Lou J, Karam I, Lam E, et al. How do patient-reported outcomes compare with clinician assessments? A prospective study of radiation dermatitis in breast cancer. Radiother Oncol J Eur Soc Ther Radiol Oncol 2021;159:98–105. https://doi.org/10.1016/j.radonc.2021.03.020.

[8] Rades D, Narvaez CA, Splettstößer L, Dömer C, Setter C, Idel C, et al. A randomized trial (RAREST-01) comparing Mepitel® Film and standard care for prevention of radiation dermatitis in patients irradiated for locally advanced squamous cell carcinoma of the head-and-neck (SCCHN). Radiother Oncol J Eur Soc Ther Radiol Oncol 2019;139:79–82. https://doi.org/10.1016/j.radonc.2019.07.023.

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