Prophylaxe der Radiodermatitis mit Grüntee-Extrakt

Die akute radiogene Dermatitis ist eine häufige, meist jedoch gering ausgeprägte unerwünschte Nebenwirkung der Strahlentherapie. Bei Patientinnen mit Brustkrebs stellt eine Strahlentherapie einen integralen Teil der onkologischen Therapie dar und die therapie-assozierte Radiodermatitis kann mit relevanten Einschränkungen der Lebensqualität vergesellschaftet sein.
Das klinische Bild der radiogenen Dermatitis besteht aus einem Erythem mit Überwärmung, Juckreiz, Brennen oder Schmerzen. Im weiteren Verlauf kann eine trockene Schuppung auftreten, oder es kann, insbesondere in den Hautfalten, zu Desquamationen/Erosion bis hin zur Ulzeration kommen. Ziel der Hautpflege und spezifischen Therapienist es die Stärke und Ausprägung der Radiodermatitis zu reduzieren sowie die Symptome und Folgen bei Eintreten einer Radiodermatitis zu mildern und zur Abheilung zu bringen. Es gibt eine Vielzahl von (klinikspezifischen) Pflegehinweisen zur Prophylaxe, sowie eine große Zahl von Therapieoptionen bei Eintreten einer Radiodermatitis.
Basierend auf den Ergebnissen von Phase-1 und frühen Phase-2 Studien, konnte eine Reduktion der radiogenen Dermatitis durch die topische Anwendung von Epigallocatechingallat (EGCG) beobachtet werden [1, 2]. EGCG gehören zur Gruppe der Catechine, die die größte Gruppe der Polyphenole darstellen und im Grünen Tee (Camellia sinensis L.) vorkommen. Aufgrund der starken antioxidativen Wirkung von Polyphenolen u.a. EGCG wurde bereits früh eine Wirkungsabschwächung der Strahlen- und Chemotherapie auf Tumorzellen in vitro gezeigt [3].
Die vorgestellte Studie untersucht die topische Anwendung von EGCG gegenüber Placebo bei Patientinnen mit Brustkrebs, die eine adjuvante Radiotherapie erhielten.

Zhao, Hanxi, Wanqi Zhu, Xianguang Zhao, Xiaolin Li, Zhengbo Zhou, Meizhu Zheng, Xiangjiao Meng et al. „Efficacy of Epigallocatechin-3-Gallate in Preventing Dermatitis in Patients With Breast Cancer Receiving Postoperative Radiotherapy: A Double-Blind, Placebo-Controlled, Phase 2 Randomized Clinical Trial.“ JAMA dermatology 158, no. 7 (2022): 779-786.

Methodik und Ergebnisse

Im Rahmen einer unizentrischen prospektiven, randomisierten Phase-II Studie wurden 180 Patientinnen mit Brustkrebs untersucht. Auswertbar waren die Daten von 165 Patientinnen (92%, EGCG, n=111; Placebo, n=54), die alle eine adjuvante Radiotherapie erhielten. Die Patientinnen erhielten eine Bestrahlung entweder mit 50Gy in 25 Fraktionen nach Mastektomie, SIB-Konzept mit 50 Gy auf die gesamte Brust bzw. 57,5Gy auf das Tumorbett oder sequentiellen Boost mit 10 Gy nach 50 Gy auf die gesamte Brust oder alleinig 50Gy auf die gesamte Brust nach brusterhaltender Operation. Die meisten Patientinnen erhielten vor Randomisierung eine Mastektomie (82,9% in der EGCG versus 83,3% in der Placebo-Gruppe). Es wurde EGCG (95% Reinheit in der HPLC-Testung, 660 µmol/L) der Firma HEP Biotech Co, Ltd, verwendet, verglichen mit Placebo (0,9% Kochsalzlösung). Die topische Anwendung begann am ersten Tag der Bestrahlung (3x tgl. 0,05ml/cm3) bis 2 Wochen nach Ende der Strahlentherapie. Der Grad der Radiodermatitis wurde wöchentlich von 2 unabhängigen Untersuchern analog der Radiation Therapy Oncology Group (RTOG) durchgeführt. Weiterhin wurde die Zeit und Schwere der radiogenen Dermatitis mittels RID Index durch die Trapezmethode sowie mittels wöchentlicher Temperaturmessung der Brust bzw. Thoraxwand und weitere therapie-assozierte Nebenwirkungen untersucht.

Es zeigte sich eine signifikante Reduktion der schweren radiogenen Hautreaktion (Grad≥2) in der EGCG-Gruppe (50,5 %; 95 % CI, 41,2 %-59,8 %) gegenüber der Placebo-Gruppe (72,2 %; 95 % CI, 60,3 %-84,1 %) (P =0.008). Der mittlere RID Index war in der EGCG-Gruppe signifikant niedriger als in der Placebogruppe. Außerdem waren die Symptomindizes bei Patienten, die EGCG erhielten, signifikant niedriger (5.22 versus 6.21, p<0.001). Bei vier Patienten (3,6 %) traten unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit der EGCG-Behandlung auf, darunter ein stechendes Hautgefühl (3 [2,7 %]) und Pruritus (1 [0,9 %] (jeweils Grad ≤2).

Tabelle zu Methodik und Ergebnissen der Studie

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>Tabelle zu Methodik und Ergebnissen der Studie

Kommentar

In dieser randomisierte Phase-2 Studie (RCT) wird der Nutzen der topischen Anwendung von Epigallocatechingallat (EGCG) gegenüber Placebo in der Prophylaxe und Therapie der Radiodermatitis bei Patientinnen mit Brustkrebs untersucht [4]. Beide Patientenarme zeigten eine ausgeglichene Verteilung bzgl. Systemtherapie und relevanten Patientencharakteristiken (Nichtraucher, TNM und Mastektomie). Die Compliance der 3x täglichen Anwendung von EGCG wurde nicht untersucht. Temperaturmessungen der Brust bzw. Thoraxwand wurden nur in 48,5% der Patientinnen durchgeführt. Hier zeigten sich keine Unterschiede des experimentellen Arms gegenüber der Kontrollgruppe (p=0.10).

Die Anwendung insbesondere von hochdosiertem oralem Grüntee(-extrakt) wird aufgrund der antioxidativen Wirkung und möglicher Tumorprotektion kontrovers diskutiert. Ein möglicher tumorprotektiver Effekt wurde in dieser Studie nicht diskutiert und ist wegen der Fallzahl nicht beurteilbar. Es wurden Übelkeit, Erbrechen, Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Diarrhö, Bauchschmerzen sowie Verwirrung aufgrund hochdosiertem Grüntee-extrakt beobachtet [5]. Die topische Anwendung von EGCG wurde bisher in nur wenigen Studien untersucht [1, 2]. In der Machbarkeitsstudie von Zhao et al. mit Dosiseskalation der EGCG-Konzentration von 40 to 660 μmol/L wurde keine höhergradigen Nebenwirkungen beobachtet, jedoch erfreulicherweise eine Reduktion der Radiodermatitis. Die hier nun vorgestellte Phase-2 Studie zeigt eine klinisch relevante Reduktion der akuten radiogenen Dermatitis (Grad≥2). Im Rahmen der adjuvanten Bestrahlung der Brust beim Mammakarzinom wird von einer schweren Radiodermatitis (Grad≥2) zwischen 9.8 und 76% berichtet [6]. Im Vergleich zur EGCG-Gruppe (50,5 %) bzw. Placebo-Gruppe (72,2 %) der hier vorgestellten RCT sind die Werte einer publizierten Metaanalyse mit mehr als 15000 Patienten deutlich niedriger (median: 28,4%) [6]. Dies ist wahrscheinlich durch die Verwendung von Bolusmaterial bei 83% der Patientinnen erklärbar, da dies mit erhöhter Hauttoxizität einhergeht [7].

Außerdem muss für Patientinnen nach brusterhaltender Operation aufgrund der zunehmenden Anwendung von hypofraktionierten Konzepten, die mit niedrigeren Raten der schweren Radiodermatitis einhergeht, die topische Anwendung von EGCG weiter untersucht werden [8]. Basierend auf den vielversprechenden Ergebnissen der hier vorgestellten randomisierten Phase-2 Studie sollten daher weiterführende Studien, wenn möglich multizentrisch und international durchgeführt werden.

Literatur
1. Dahn HM, Boersma LJ, De Ruysscher D, Meattini I, Offersen BV, Pignol J-P, Aristei C, Belkacemi Y, Benjamin D, Bese N (2021) The use of bolus in postmastectomy radiation therapy for breast cancer: A systematic review. Critical Reviews in Oncology/Hematology 163:103391
2. Jatoi A, Ellison N, Burch PA, Sloan JA, Dakhil SR, Novotny P, Tan W, Fitch TR, Rowland KM, Young CY (2003) A phase II trial of green tea in the treatment of patients with androgen independent metastatic prostate carcinoma. Cancer: Interdisciplinary International Journal of the American Cancer Society 97:1442–1446
3. Krug D, Baumann R, Krockenberger K, Vonthein R, Schreiber A, Boicev A, Würschmidt F, Weinstrauch E, Eilf K, Andreas P (2021) Adjuvant hypofractionated radiotherapy with simultaneous integrated boost after breast-conserving surgery: results of a prospective trial. Strahlentherapie und Onkologie 197:48–55
4. Thomas F, Holly JM, Persad R, Bahl A, Perks CM (2011) Green tea extract (epigallocatechin-3-gallate) reduces efficacy of radiotherapy on prostate cancer cells. Urology 78:475-e15
5. Xie Y, Wang Q, Hu T, Chen R, Wang J, Chang H, Cheng J (2021) Risk Factors Related to Acute Radiation Dermatitis in Breast Cancer Patients After Radiotherapy: A Systematic Review and Meta-Analysis. Frontiers in oncology 11
6. Zhao H, Zhu W, Jia L, Sun X, Chen G, Zhao X, Li X, Meng X, Kong L, Xing L (2016) Phase I study of topical epigallocatechin-3-gallate (EGCG) in patients with breast cancer receiving adjuvant radiotherapy. The British Journal of Radiology 89:20150665
7. Zhao H, Zhu W, Zhao X, Li X, Zhou Z, Zheng M, Meng X, Kong L, Zhang S, He D (2022) Efficacy of Epigallocatechin-3-Gallate in Preventing Dermatitis in Patients With Breast Cancer Receiving Postoperative Radiotherapy: A Double-Blind, Placebo-Controlled, Phase 2 Randomized Clinical Trial. JAMA dermatology 158:779–786
8. Zhu W, Jia L, Chen G, Zhao H, Sun X, Meng X, Zhao X, Xing L, Yu J, Zheng M (2016) Epigallocatechin-3-gallate ameliorates radiation-induced acute skin damage in breast cancer patients undergoing adjuvant radiotherapy. Oncotarget 7:48607

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