Krebsassoziierte Fatigue: Chronische Erschöpfung kann behandelt werden

Radioonkologen empfehlen unter anderem Sport und Entspannungstechniken

Berlin, Oktober 2016 – Sport, aber auch Yoga, Tai Chi, Qigong und Entspannungsübungen können Krebspatienten helfen, die Strapazen einer Strahlentherapie besser zu überstehen. Damit können Patienten einer Fatigue vorbeugen. Unter dieser quälenden Müdigkeit und Erschöpfung leiden viele Krebskranke während und nach der Krebsbehandlung – auch nach einer Strahlentherapie. Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) rät den Patienten, bereits zu Beginn der Strahlentherapie körperlich und mental aktiv zu werden.

Strahlentherapien verbessern bei vielen Krebserkrankungen die Überlebenschancen. Obwohl die Bestrahlung über die Jahre immer effektiver und schonender geworden ist, bekommen zahlreiche Patienten eine krebsassoziierte Fatigue. „Die Patienten leiden unter einer großen Erschöpfung, ihre Energiereserven sind rasch verbraucht und bereits geringe körperliche Aktivitäten ermatten sie“, erklärt Professor Dr. med. Stephanie E. Combs vom Klinikum rechts der Isar in München und Pressesprecherin der DEGRO. Auch Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten kennzeichnen die krebsassoziierte Fatigue, unter der 60 bis 80 Prozent der Patienten nach einer Strahlen- und/oder Chemotherapie leiden, so die Direktorin der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radiologische Onkologie. „Es kann so weit gehen, dass Patienten ihren Beruf nicht mehr ausüben und nicht mehr am sozialen Leben teilnehmen können“, sagt Professor Combs.

Noch ist nicht bekannt, was genau die Fatigue auslöst. Die Behandlung schätzen die Experten als schwierig ein. Medikamente haben sich als weitgehend wirkungslos erwiesen. „Bei manchen Patienten hilft die Einnahme von Ritalin“, sagt Professor Combs: „Antidepressiva haben sich dagegen als ineffektiv erwiesen.“ Einige Betroffene berichteten über eine Besserung durch Ginseng oder Guaraná, andere durch verschiedene Komplementärmedizinische Verfahren, wie beispielsweise Akupunktur.

Die beste Wirkung erzielen jedoch sportliche Aktivitäten. „In den letzten Jahren haben wenigstens 25 Studien gezeigt, dass Ausdauer- oder Kraftsport, aber auch Yoga, Tai Chi und Qigong den Krebspatienten helfen. Ebenso Walking, Radfahren und Tanzen. „Es kommt weniger darauf an, was die Patienten machen, sondern dass sie überhaupt aktiv werden“, sagt die DEGRO-Pressesprecherin. Einige Patienten haben jedoch eine geringe Motivation, da sie in der Fatigue ein Signal des Körpers sehen, sich mehr schonen zu müssen. „Sie betrachten die Erkrankung als einen Wendepunkt und finden sich mit ihrer Erschöpfungssituation ab“, so Professor Combs. Deshalb würden häufig auch psychologische Interventionen helfen. Auch Meditation und Achtsamkeitsübungen seien empfehlenswert. Professor Combs: „Es ist hier wichtig, die Blockade im Kopf zu lösen und den Patienten zu zeigen, dass sich ein aktiver Lebensstil mit Bewegungen für sie lohnt.“ Viele Patienten seien jedoch bereits offen für neue Impulse und nähmen die Empfehlungen gerne an.

Die Radiotherapie ist nach Ansicht von DEGRO-Präsident Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus ein guter Anlass, mit einem Sport- oder Bewegungsprogramm zu beginnen: „Die Behandlung zieht sich häufig über mehrere Wochen. Die Patienten sind während dieser Zeit krankgeschrieben“, sagt der Ärztliche Direktor der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie (Czerny-Klinik) am Universitätsklinikum Heidelberg, und verweist auf die BEST-Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums. Dort nahmen 80 Brustkrebspatientinnen ab dem ersten Tag der Strahlentherapie an einem leichten Krafttraining teil. Über zwölf Wochen trainierten sie zweimal wöchentlich für 60 Minuten in einem Fitnessraum. Nach dem Ende des Trainingsprogramms hatte sich mit der Fatigue auch die Lebensqualität der Patientinnen gebessert. Sie beurteilten ihre Zukunft positiver als die Teilnehmerinnen einer Vergleichsgruppe, die an einem Programm zur Muskelentspannung teilgenommen hatten. Professor Debus fasst zusammen: „Weil die Radiotherapie heute so gut verträglich ist, ermutigen wir unsere Patienten zu körperlichem Training.“

Wichtig sei, dass die Patienten nicht an ihre Grenzen gingen, warnt Professor Debus. Sie sollten nicht mehr als 60 bis 80 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit nutzen, denn eine zu starke Belastung könne die Fatigue verstärken. Der Experte rät, das Trainingsprogramm mit dem behandelnden Arzt abzusprechen, um das richtige Maß zu finden.

Literatur:

Asadpour R., Meng Z., Kessel KA. and Combs SE.: Use of acupuncture to alleviate side effects in radiation oncology: Current evidence and future directions. Advances in Radiation Oncology (2016).

Kessel KA., Lettner S., Kessel C., Bier H., Biedermann T., Friess H., Herschbach P., Gschwendt J., Meyer B., Peschel C., Schmid RM., Schwiager M., Wolff KD., Combs SE.: Use of Complementary Medicine (CAM) as a part of the oncological treatment: Questionnaire on Acceptance in a University-based Oncology Center in Germany. PLOS ONE October 2016.

Potthoff K., Schmidt M., Wiskemann J., Hof H., Klassen O., Habermann N., Beckhove P., Debus J., Ulrich CM., Steindorf K.: Randomized controlled trial to evaluate the effects of progressive resistance training compared to progressive muscle relaxation in breast cancer patients undergoing adjuvant radiotherapy: the BEST study. BMC Cancer, 13:162, 2013. (doi:10.1186/1471-2407-13-162) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23537231

Steindorf K., Schmidt M.E.  et al.: Randomized, controlled trial of resistance training in breast cancer patients receiving adjuvant radiotherapy: results on cancer-related fatigue and quality of life. Annals of Oncology 25: 2237–2243, 2014. (doi:10.1093/annonc/mdu374) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25096607

 

Zur Strahlentherapie:

Die Strahlentherapie ist eine lokale, nicht-invasive, hochpräzise Behandlungsmethode mit hohen Sicherheitsstandards und regelmäßigen Qualitätskontrollen. Bildgebende Verfahren wie die Computer- oder Magnetresonanztomografie ermöglichen eine exakte Ortung des Krankheitsherdes, sodass die Radioonkologen die Strahlen dann zielgenau auf das zu bestrahlende Gewebe lenken können. Umliegendes Gewebe bleibt weitestgehend verschont.